Rs „Lexel“: Neues vom EuGH zu Zinsabzugsverboten
Nach jüngster EuGH Rechtsprechung (EuGH 20.01.2021, C-484/19, Rs Lexel) verstößt das Schwedische Abzugsverbot für Zinsen auf Konzerndarlehen gegen die Niederlassungsfreiheit. Dies kann gravierende Folgen für die Auslegung des § 12 (1) Z 10 KStG mit sich bringen.
Sachverhalt & Vorlagefrage
Die einer französischen Unternehmensgruppe angehörige Schwedische Gesellschaft Lexel führte im Dezember 2011 einen konzerninternen Beteiligungserwerb durch. Zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs nahm Lexel ein Konzerndarlehen bei einer in Frankreich ansässigen Konzerngesellschaft auf.
Die Schwedische Finanzverwaltung verneinte den Abzug der Zinskosten im Zusammenhang mit dem Konzerndarlehen bei der Lexel (in Summe rd. EUR 11,4 Mio). In ihrer Begründung verwies sie dabei insb. auf die Anwendbarkeit der sog. Ausnahmebestimmung des Schwedischen EStG. Die Abzugsfähigkeit von Zinsen auf Konzerndarlehen ist im Schwedischen EStG wie folgt geregelt:
- § 10b: Zinsen gegenüber verbundenen Unternehmen sind steuerlich grundsätzlich nicht abzugsfähig
- § 10d (1): ist der Empfänger der Zinsen ein ausländisches verbundenes Unternehmen, bei dem diese zu mind. 10% besteuert werden, sind die Zinsen in Schweden abzugsfähig (sog. 10% Regel)
- § 10d (3): der Zinsabzug nach § 10d (1) ist nicht zulässig, wenn der Hauptzweck des Darlehens in der Erlangung eines „erheblichen Steuervorteils“ liegt (sog. Ausnahmebestimmung; Die Beweislast liegt beim jeweiligen Unternehmen)
Die Ausnahmebestimmung wurde vor dem Hintergrund eingeführt, aggressive Steuerplanung mit Zinsabzügen zu verhindern. Bei vergleichbaren innerstaatlichen Sachverhalten kommt die Ausnahmebestimmung nicht zur Anwendung.
Entscheidung des EuGH
Zunächst stellte der EuGH fest, dass die Ausnahmebestimmung vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt. In weiterer Folge gelangte der EuGH zum Ergebnis, dass die Ausnahmebestimmung nicht mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann und somit gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt:
- Rechtfertigung aus Gründen der Bekämpfung von Steuerbetrug und -umgehung
Da sich die Ausnahmebestimmung nicht bloß auf die Bekämpfung rein künstlicher Transaktionen beschränkt, sondern auch Darlehen erfasst, die unter Bedingungen des freien Wettbewerbs geschlossen wurden (dh. fremdüblich sind), verneinte der Gerichtshof die Anwendbarkeit dieses Rechtfertigungsgrundes.
- Rechtfertigung aus Gründen der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten
Der Zweck der Ausnahmebestimmung liegt in der Verhinderung der Aushöhlung der schwedischen Besteuerungsgrundlage. Dieses Ziel ist nach Ansicht des EuGH jedoch von der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu unterscheiden. Er hält fest, dass sich ein bloßer Rückgang von Steuereinnahmen nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses eignet, um eine Beschränkung der Grundfreiheiten zu rechtfertigen.
Zusätzlich hält er fest, dass das strittige Abzugsverbot nur bei Konzerndarlehen zur Anwendung kommt. Im Lichte der angestrebten Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse besteht zwischen Konzerndarlehen und Drittdarlehen aber kein relevanter Unterschied (fremdübliche Konditionen vorausgesetzt).
- Rechtfertigung aus einer Gesamtbetrachtung der oben angeführten Gründe
Die strittige Regelung kann auch nicht in einer Gesamtbetrachtung dieser beiden Rechtsfertigungsgründe gerechtfertigt werden.
Auswirkungen auf Österreich
Die in der Rs Lexel in Frage stehende Ausnahmebestimmung ähnelt dem österreichischen § 12 (1) Z 10 KStG (Zinsabzugsverbot, wenn Zinsen auf Ebene des ausländischen, konzernzugehörigen Empfängers einem Steuersatz in Höhe von unter 10% unterliegen), der ebenfalls die Vermeidung konzerninterner Gewinnverlagerungen mittels Zins- und Lizenzzahlungen in Niedrigsteuerländer oder besondere Steuerregime bezwecken soll. Das österreichische Abzugsverbot gilt unabhängig davon, ob das grenzüberschreitende Darlehen fremdüblich ausgestaltet ist, und sieht keine Möglichkeit vor, dessen Anwendbarkeit über Darlegung von außersteuerlichen Gründen abzuwenden (keine „Bona Fide Klausel“).
Aufgrund der Ähnlichkeit zur schwedischen Ausnahmebestimmung sollte die Unionsrechtskonformität des § 12 (1) Z 10 KStG kritisch hinterfragt werden, zumal das Zinsabzugsverbot auch klar fremdübliche Darlehen und mangels Bona Fide Klausel nicht nur rein künstliche Gestaltungen umfasst (und somit uU überschießend ist). Die Reaktion der österreichischen Finanzverwaltung sowie des österreichischen Gesetzgebers bleibt abzuwarten.
Empfehlung
Sind Unternehmen im Fall (1) von offensichtlich fremdüblichen, (2) nicht missbräuchlichen (3) EU/EWR-Darlehensstrukturen von § 12 (1) 10 KStG betroffen, ist eine kritische Einzelfallprüfung jedenfalls zu empfehlen. Insbesondere sollte überlegt werden, ob bzw. (falls ja) wie eine Nichtanwendung der Norm im Lichte ihrer potenziellen Unionsrechtswidrigkeit vertretbar erscheint.
Anbei auch ein Newsletter zu dem Judikat in englischer Sprache.
Autorin: Sophie Schönhart