VwGH zur Organschaft
Der VwGH hat im Erkenntnis vom 16. November 2021, Ra 2020/15/0101, das Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung bei Ausübung der Geschäftsführung durch nicht leitende Mitarbeiter des Organträgers bejaht. Auch die wirtschaftliche Eingliederung ist bei der Überlassung eines Verwaltungsgebäudes an eine Bank im konkreten Fall gegeben. Es ist immer auf das Gesamtbild abzustellen.
Sachverhalt
Eine Bank, die O AG, war mittelbar über zwei Tochtergesellschaften an der Revisionswerberin (Rw) beteiligt. Die Rw war Inhaberin eines Baurechts auf einem im Eigentum der O AG stehenden Grundstück und errichtete auf diesem Grundstück nach den Vorgaben der O AG ein Verwaltungs- und Veranstaltungsgebäude für die O-AG. Nach Fertigstellung wurde das Gebäude an die O AG vermietet. Auf die Errichtungskosten wurde aufgrund Ausübung der Option zur Steuerpflicht nach § 6 Abs 2 UStG idF vor 1. StabG 2012 der Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Geschäftsgegenstand der Rw war die Errichtung und Vermietung von Gebäuden an die O AG, tatsächlich vermietete die Rw seit ihrem Bestehen ausschließlich an die O AG. Die Rw hatte keine eigenen Büroräumlichkeiten und Mitarbeiter. Sämtliche in der Rw anfallenden (administrativen) Arbeiten wurden von Mitarbeitern der O AG ausgeführt. Die erbrachten Leistungen wurden nicht verrechnet. Geschäftsführer der Rw waren Mitarbeiter der O AG. Der Mietzins für das Gebäude setzte sich aus Abschreibung und Zinsen zusammen, eine Gewinnkomponente wurde nicht berücksichtigt.
Strittig war das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft iSd § 2 Abs 2 UStG.
Erkenntnis des VwGH
Der VwGH bejahte das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft.
Die finanzielle Eingliederung war nicht strittig, diese ist auch bei einer mittelbaren Beteiligung gegeben.
Zur organisatorischen Eingliederung hält der VwGH fest, dass maßgebend sei, ob der Organträger in der Lage sei, seinen Willen durchzusetzen, es komme auf die faktische Beherrschung an. Vorliegend sei diese nach dem Gesamtbild der Verhältnisse gegeben, auch wenn die Geschäftsführung der Rw durch nicht-leitende Mitarbeiter ausgeführt werde. Dafür sprächen auch die Kalkulation des Mietzinses sowie die Tatsache, dass die Vermietung trotz der Möglichkeit einer Vermietung an externe Dritte an die O AG erfolge.
Zur wirtschaftlichen Eingliederung hält der VwGH unter Hinweis auf seine frühere Rsp zunächst fest, dass diese vorliege, wenn ein vernünftiger betriebswirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. In seinem Erkenntnis vom 23. November 2016, Ra 2014/15/0031, habe der VwGH entschieden, dass eine wirtschaftliche Eingliederung dann vorliege, „wenn die Aufgabe der [dortigen] Mitbeteiligten als Besitzgesellschaft vornehmlich darin bestünde, der [Bank] die für den Betrieb ihrer Bankgeschäfte erforderlichen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen“. Es erfolgte in diesem Erkenntnis aber weder eine Definition der „Bankgeschäfte“ noch eine Einschränkung auf Bankgeschäfte iSd § 1 Abs 1 BWG. Auch Büroräumlichkeiten, welche für Schulungen und Werbeveranstaltungen genutzt werden, stellen daher für Bankgeschäfte erforderliche Räumlichkeiten dar, da der Betrieb eines Finanzinstitutes auch „zahlreiche weitere Tätigkeiten (insbesondere im Backoffice) erfordert, die die operative Kerntätigkeit der Bankgeschäfte des § 1 Abs 1 BWG unterstützen oder überhaupt erst ermöglichen“.
Auswirkungen für die Praxis
Bislang war nach UStR für das Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung eine Personalunion zwischen der Geschäftsführung der Organgesellschaft und leitenden Mitarbeitern (Prokuristen) auf Ebene des Organträgers erforderlich. Vorliegend dürfte der VwGH die organisatorische Eingliederung aber auch aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse als gegeben angesehen haben. Inwieweit diese Aussagen daher verallgemeinerungsfähig sind, bleibt unseres Erachtens offen.
Praxisrelevant scheint aus unserer Sicht aber die Feststellung des VwGH, dass ein Bankbetrieb nicht nur die unmittelbare Kerntätigkeit umfasse, sondern darüber hinaus eine Reihe weiterer Tätigkeiten wie ua auch Verwaltungstätigkeiten, die das Kerngeschäft unterstützen oder erst ermöglichen. Der VwGH scheint damit ein liberaleres Verständnis der wirtschaftlichen Eingliederung zu entwickeln, die uE mit den eher strengen Aussagen der Finanzverwaltung in Rz 237 und 238 der UStR nicht (mehr) in Einklang stehen dürften.
