Neues BFG-Judikat zur Abgabenerhöhung bei Selbstanzeigen gemäß § 29 Abs 6 FinStrG
Mit der Frage, ob eine Abgabenerhöhung nur festzusetzen ist, wenn eine angekündigte Prüfungsmaßnahme tatsächlich der Anlass für die Erstattung einer Selbstanzeige war, setzte sich das BFG in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (BFG 1.12.2023, RV/2100533/2023) auseinander. Das BFG vertritt dabei eine strenge Auslegung des § 29 Abs 6 FinStrG. Die ordentliche Revision an den VwGH wurde zugelassen. Spannende Aussagen trifft das BFG auch zur Verschuldensfrage bei Verstößen gegen das Abzugsverbot gemäß § 20 Abs 1 Z 7 EStG (Managergehälter – siehe Newsletter).
Gesetzliche Bestimmung
§ 29 Abs 6 FinStrG lautet auszugsweise wie folgt:
„Werden Selbstanzeigen anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe erstattet, tritt strafbefreiende Wirkung hinsichtlich vorsätzlich oder grob fahrlässig begangener Finanzvergehen nur unter der weiteren Voraussetzung insoweit ein, als auch eine mit einem Bescheid der Abgabenbehörde festzusetzende Abgabenerhöhung unter sinngemäßer Anwendung des Abs. 2 entrichtet wird. […].“
Die Höchstgerichte setzten sich bereits in mehreren Entscheidungen mit dieser Bestimmung auseinander (dazu dürfen wir auf unseren Newsletter aus dem Jahr 2020 verweisen).
Zugrundeliegender Sachverhalt des BFG-Erkenntnisses
Mit telefonischer und per E-Mail gesendeter Ankündigung durch das Finanzamt wurde dem Abgabepflichtigen eine Außenprüfung betreffend Körperschaftsteuer 2015 bis 2019 am 6. Dezember 2021 angemeldet. Am 7. Dezember 2021 wurde eine Selbstanzeige betreffend die Körperschaftsteuer 2016 bis 2018 übermittelt. Die in der Selbstanzeige zu berichtigenden Sachverhalte wurden vom Abgabepflichtigen bereits am 8. November 2021 entdeckt und der entsprechende Schriftsatz am 3. Dezember 2021 finalisiert sowie an den Mandanten zur Freigabe versandt.
Mit Bescheid wurde daraufhin eine Abgabenerhöhung gemäß § 29 Abs 6 FinStrG festgesetzt. Gegen den Abgabenerhöhungsbescheid wurde Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom zuständigen Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Daraufhin wurde ein Vorlageantrag an das BFG eingebracht.
Rechtsfrage
Fraglich ist, ob der Gesetzeswortlaut und der Telos der Bestimmung des § 29 Abs 6 FinStrG unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur des VwGH dahingehend auszulegen ist, dass Voraussetzung für die Festsetzung der Abgabenerhöhung ist, dass der Abgabepflichtige nicht nur Kenntnis von einer bevorstehenden Prüfungshandlung haben muss, sondern dass diese auch der (tatsächliche) Anlass – somit kausal – für die Erstattung der Selbstanzeige war.
Entscheidung des BFG
Das BFG kommt in seinem Erkenntnis zum Ergebnis, dass das Wort anlässlich des § 29 Abs 6 FinStrG nur so zu interpretieren ist, dass zum Zeitpunkt der Ankündigung einer Prüfungsmaßnahme eine Selbstanzeige bereits erstattet worden sein muss, um eine Abgabenerhöhung zu vermeiden. Der Zeitpunkt der Ankündigung einer Prüfungsmaßnahme bildet demnach die zeitliche Grenze zu der eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr ohne eine Abgabenerhöhung denkbar ist.
Zur Begründung führt das BFG an, dass dem Gesetzgeber nicht die Absicht unterstellt werden könne, dass dieser durch die Finanzstrafgesetznovelle 2014 im § 29 Abs 6 FinStrG eine Unschärfe dahingehend schaffen wollte, dass es für die Festsetzung einer Abgabenerhöhung darauf ankommt, ob der Abgabenpflichtige unabhängig von einer Prüfungsmaßnahme bereits an einer Selbstanzeige arbeitete und deren Erstattung – aus welchen Gründen auch immer – erst nach der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme erfolgen konnte.
Zuletzt führt das BFG aus, dass im vorliegenden Sachverhalt bis zur endgültigen Abgabe der Selbstanzeige fast ein Monat verging. Der Umstand des langen Zeitraumes von Entdeckung der relevanten Sachverhalte bis zur Abgabe der Selbstanzeige spräche dafür, dass der Abgabepflichtige gegen die Intention des Gesetzgebers gehandelt hat, mit der Erstattung einer Selbstanzeige nicht abzuwarten, sondern eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit bereits vor Anstoßen durch die Behörde umzusetzen.
Fazit
Unseres Erachtens sprechen dennoch die besseren Argumente dafür, dass bei der Auslegung des Begriffs „anlässlich“ zu berücksichtigen ist, ob eine Selbstanzeige bereits beauftragt wurde, sich in Vorbereitung befand und eine Einreichung ohne Verzug (kein „Schubladisieren“) beabsichtigt war. Ist dies der Fall, so kann die Anmeldung einer Prüfungshandlung nicht als Anlass der Selbstanzeige gesehen werden.
Die Auslegung des BFG würde uE zu unsachgemäßen Ergebnissen führen, die Festsetzung einer Abgabenerhöhungen wäre stark von Zufällen abhängig. Zudem könnte eine derartige Auslegung insbesondere bei grob fahrlässig begangenen Verkürzungsdelikten – aufgrund des Verhältnisses zwischen der undifferenzierten Höhe der Abgabenerhöhung und der ständigen Strafpraxis bei grob fahrlässig begangenen Verkürzungsdelikten – erst recht zu unerwünschtem Taktieren anregen und damit dem Normzweck zuwiderlaufen.
In der Praxis ist es uE eine Beweisfrage, ob der Abgabepflichtige glaubhaft machen kann, dass die Selbstanzeige bereits beauftragt und in Erstellung oder gar im Freigabelauf war. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Abgabenbehörden in der Vergangenheit durchaus von der Festsetzung einer Abgabenerhöhung Abstand genommen haben, wenn glaubhaft gemacht werden konnte, dass kein Taktieren beabsichtigt war. Betreffend die Bearbeitungsdauer einer Selbstanzeige sollte uE die Komplexität des Sachverhalts berücksichtigt werden. Ein Monat zwischen Erkennen des Themas und Einreichung der Selbstanzeige (wie im entscheidungsgegenständlichen Fall) erscheint gerade in Konzernsachverhalten und im internationalen Kontext als kurze Bearbeitungszeit.
Die ordentliche Revision an den VwGH wurde zugelassen.