Reichweite der betriebsstättenbegründenden Verfügungsmacht im Wandel
Jüngst befasste sich das Bundesfinanzgericht (BFG) in einer Entscheidung (BFG 8.2.2024, RV/6100451/2018), welche Anforderungen an die betriebsstättenbegründende Verfügungsmacht zu stellen sind.
Sachverhalt
Gegenstand der BFG-Entscheidung war ein deutscher Zahnarzt, der über mehrere Jahre hinweg regelmäßig Insassen in österreichischen Justizanstalten behandelte. Die Finanzverwaltung misst der Verfügungsmacht über eine feste Einrichtung im Allgemeinen ein durchaus weitgehendes Verständnis bei. Die Schwelle eine Betriebsstätte zu begründen ist damit in Österreich – im Vergleich zu anderen Ländern – geringer. Auch in diesem Fall legte die Behörde die Verfügungsmacht weit aus und ging von einer Betriebsstätte des deutschen Zahnarztes in der Justizanstalt aus.
Restriktivere Auslegung des BFG
Demgegenüber lehnt das BFG in seiner Entscheidung ein solch weitgehendes Verständnis ab. Vor dem Hintergrund der besonderen Sicherheitsvorkehrungen und Zutrittsbeschränkungen bezweifelt das BFG, ob in einer Justizanstalt überhaupt eine Betriebsstätte begründet werden kann. Das BFG verneint die Verfügungsmacht des deutschen Zahnarztes über die Behandlungsräume in der Justizanstalt aus mehreren Gründen. So hatte der Zahnarzt keinen freien Zugang zu den Behandlungsräumen. Er konnte sich nur zu festgelegten Zeiten und stets in Begleitung von Wachpersonal in Behandlungsräumen aufhalten. Darüber hinaus konnte der Zahnarzt andere Personen von der Nutzung der Behandlungsräume nicht auszuschließen. Das BFG hielt fest, dass bei einer reinen Mitbenützung noch keine Verfügungsmacht besteht und damit keine Betriebsstätte vorliegt.
Schlussfolgerungen des BMF
Das BMF misst hingegen der gesicherten Rechtsposition des Zahnarztes, die Leistungen in den Ordinationsräumen der Justizanstalt erbringen zu können, wesentliche Bedeutung bei. Dabei grenzt es die bloße Mitbenützungsmöglichkeit von einem vertraglich vereinbarten und über Jahre bestehenden Mitbenutzungsrecht ab. Im Gegensatz zum BFG sollen im Lichte einer berufsbezogenen Betrachtung Zutrittsbeschränkungen oder die Begleitung durch Wachpersonal die Verfügungsmacht nicht ausschließen. Darüber hinaus stellt das BMF auf das zeitliche Nutzungsausmaß ab und geht im Ergebnis von einer Betriebsstätte des deutschen Zahnarztes aus.
Ausblick
Die Finanzverwaltung hat gegen die Entscheidung des BFG eine Amtsrevision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eingebracht. In der Praxis wird ein richtungsweisendes Urteil erwartet, das Auswirkungen auf verschiedene Arten von grenzüberschreitenden Dienstleistungen und Funktionsausübungen haben könnte. Dabei wird entscheidend sein, welchen Maßstab der VwGH an die Verfügungsmacht legt.
Verfasst von: Martin Jann, Marlies Ursprung-Steindl, Isabella Gagulic