Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz (VirtGesG): Schaffung einer dauerhaften gesetzlichen Grundlage für virtuelle und hybride Versammlungen
Mit dem am 7. Juli 2023 im Nationalrat beschlossenen Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz (VirtGesG) wurde die in Pandemiezeiten befristet eingeführte Möglichkeit, Gesellschafterversammlungen auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchzuführen, nun dauerhaft gesetzlich verankert. Demnach sind künftig virtuelle und/oder hybride General- bzw Hauptversammlungen – auch ohne Zustimmung sämtlicher Gesellschafter – möglich, sofern dies im Gesellschaftsvertrag (in der Satzung / in den Statuten) vorgesehen ist.
Die durch § 1 COVID-19-GesG geschaffene, zeitlich befristete Ausnahmeregelung zur Abhaltung „virtueller Versammlungen“ ist mit 30. Juni 2023 außer Kraft getreten, sodass die Durchführung von (beispielsweise) Hauptversammlungen per Videokonferenz nicht mehr zulässig wäre. Durch das VirtGesG, das mit 14. Juli 2023 in Kraft trat, wurde nun eine allgemeine rechtliche Basis für virtuelle oder hybride Gesellschafterversammlungen geschaffen. Anders als das COVID-19-GesG bezieht sich die Neuregelung nicht mehr auf Organversammlungen (Vorstands-/Aufsichtsratssitzungen).
Eckpunkte des VirtGesG
Erfasst sind General- bzw Hauptversammlungen („GV“) von Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen und Sparkassen.
Im Gesellschaftsvertrag können verschiedene Optionen für die Abhaltung von GV vorgesehen werden, nämlich dass die GV als
- Präsenzversammlung (wie bisher; gilt auch, wenn der Gesellschaftsvertrag gar keine Regelung enthält),
- virtuelle Versammlung dh über eine akustische und optische Zweiwegverbindung in Echtzeit (Videokonferenz), oder
- hybride Versammlung, dh als Präsenzversammlung mit virtueller Teilnahmemöglichkeit,
abzuhalten ist; oder
- dass das Einberufungsorgan von Fall zu Fall entscheiden kann, in welcher Form die GV abgehalten wird.
Zusätzlich kann im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden, ob die virtuelle bzw hybride Versammlung als „einfache“ oder als „moderierte“ GV durchzuführen ist. Während im Regelfall der einfachen virtuellen Versammlung eine Zweiwegverbindung besteht, dh sich alle Teilnehmer jederzeit zu Wort melden können, wird bei einer moderierten virtuellen GV die Versammlung primär übertragen, jedoch unter Ermöglichung von jederzeitigen schriftlichen Wortmeldungen (zB per Chat, E-Mail oder in einem eigenen Portal) und, auf Wunsch eines Teilnehmers bzw wenn der Versammlungsleiter einem Teilnehmer das Wort erteilt, auch mündlichen Beiträgen/Fragen. Debatten sollen so ermöglicht werden. Bei hybriden Versammlungen müssen außerdem virtuelle und reale Teilnehmer gleichbehandelt werden.
Die zu verwendende Software und andere technische Voraussetzungen können im Gesellschaftsvertrag festgelegt oder (spätestens) bei Einberufung durch den Versammlungsleiter bestimmt und kommuniziert werden. Die virtuelle Teilnahme muss jedoch einfach und kostenlos möglich sein, ohne dass etwa eine bestimmte Software heruntergeladen werden muss.
Ansonsten gelten die normalen gesetzlichen Einberufungs- und Ablaufmodalitäten.
Besonderheiten bei börsennotierten AG
Hier müssen die Details der organisatorischen und technischen Teilnahmevoraussetzungen spätestens am 21. Tag vor der Hauptversammlung bereitgestellt und auf der Website abrufbar sein. Außerdem ist den Teilnehmern ein elektronischer Kommunikationsweg zur Verfügung zu stellen, auf dem Aktionäre schon vorab Fragen und Beschlussanträge an die Gesellschaft übermitteln können. Zudem kann die Satzung vorsehen, dass eine Stimmabgabe schon vor der Versammlung auf elektronischem Weg ermöglicht werden soll (entweder generell oder, wenn der Vorstand dies anordnet).
Zur Erleichterung der Ausübung von Aktionärsrechten sind von der Gesellschaft (auf deren Kosten) zwei unabhängige Stimmrechtsvertreter namhaft zu machen, die ein Aktionär jeweils mit der Stimmabgabe, Stellung von Beschlussanträgen oder Abgabe eines Widerspruchs in seinem Namen beauftragen kann.
Minderheiten mit Aktien von (insgesamt) mindestens 5% können übrigens nach Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung bis zum Ende des Geschäftsjahrs verlangen, dass die nächste Hauptversammlung wieder real abgehalten wird. Im Ergebnis können Aktionäre daher bewirken, dass zumindest jedes zweite Jahr eine Präsenzversammlung abgehalten wird.
Wichtig ist noch darauf hinzuweisen, dass die Satzungsbestimmung, die eine Durchführung virtueller und/oder hybrider Versammlungen ermöglicht, längstens auf 5 Jahre zu befristen ist. Die Verlängerung der Geltungsdauer kann allerdings im Wege einer virtuellen oder hybriden Hauptversammlung beschlossen werden.
In der Praxis
Die gesetzliche Ermöglichung einer virtuellen Gesellschafterversammlung (bzw Teilnahmemöglichkeit an solchen) ist bei Gesellschaften mit Gesellschaftermehrheit relevant, wo die Einigkeit hinsichtlich der Abhaltungsmodalitäten nicht gesichert ist. Für diese wäre es daher sinnvoll, entsprechende Bestimmungen in den Gesellschaftsvertrag bzw die Satzung aufzunehmen. Anzumerken ist, dass – wie schon bisher – jede Versammlung (etwa auch AR-Sitzungen) auch ohne entsprechende Satzungsermächtigung virtuell oder hybrid abgehalten werden kann, sofern alle Teilnehmer damit (auch konkludent, zB durch ihre Teilnahme) einverstanden sind.
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