„Pillar One – Amount B“ – OECD veröffentlicht Konsultationspapier
Im Rahmen des BEPS 2.0 Projekts hat die OECD am 17. Juli 2023 ein weiteres Konsultationspapier zu Amount B von Pillar I veröffentlicht. Stakeholder waren aufgefordert, bis zum 1. September 2023 Stellung zu nehmen.
Die erklärten Ziele von Amount B sind die Vereinfachung der Anwendung von Verrechnungspreisregelungen, bei gleichzeitiger Erhöhung der Steuersicherheit und Verringerung von Auseinandersetzungen zwischen Steuerzahlern und Steuerprüfern für Baseline Marketing- und Vertriebsaktivitäten („baseline marketing and distribution activities“). Amount B soll bei diesen Aktivitäten zu einer Vereinfachung der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch die Einführung einer standardisierten Vergütung beitragen. Die standardisierte Vergütung soll eine Annäherung an die unter Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes erzielten Ergebnisse sein, wobei Faktoren wie beispielsweise Branche oder Region Berücksichtigung finden sollen.
Umsetzung
In Bezug auf die Implementierung ist angedacht, dass Amount B bereits Anfang 2024 in die OECD-Verrechnungspreisleitlinien aufgenommen werden soll. Aufgrund der im Konsultationspapier enthaltenen Ausführungen lässt sich interpretieren, dass Amount B auch bei Erfüllung aller Kriterien nicht verpflichtend anzuwenden ist. Insofern weist viel auf eine Safe-Harbour-Regelung hin, zu welcher der Steuerpflichtige optieren kann. Um potentiellen Konflikten in zukünftigen Betriebsprüfungen entgegenzuwirken, wäre es wünschenswert, im Dokument selbst – vergleichbar zu den low value-adding intra-group services („LVAS“) – explizit aufzunehmen, dass die Anwendung von Amount B nicht verpflichtend ist und auch keine Mindest- oder Höchstvergütung, weder für einfache („baseline“) Vertriebsaktivitäten, die nicht Amount B anwenden, noch für komplexere (“non-baseline”) Vertriebsaktivitäten darstellt.
Anwendungsbereich
Im Gegensatz zu Amount A ist Amount B nicht nur auf die größten multinationalen Unternehmen beschränkt mit über EUR 20 Milliarden konsolidierter Konzernumsatz, sondern hat einen breiteren Anwendungsbereich. Im Zentrum von Amount B stehen Baseline Vertriebsvereinbarungen. Im Wesentlichen sind folgende Vertriebsaktivitäten Gegenstand von Amount B:
- Marketing- und Vertriebstransaktionen in Bezug auf Großhandelsvertrieb („wholesale“) an nicht verbundene Dritte, bei denen die Vertriebsgesellschaft Waren von einem oder mehreren verbundenen Unternehmen kauft.
- Handelsvertreter- und Kommissionärstransaktionen, bei denen der Handelsvertreter oder Kommissionär zum Großhandelsvertrieb („wholesale“) von Waren an nicht verbundene Dritte eines oder mehrerer verbundener Unternehmen beiträgt.
Anwendungsvoraussetzungen
Um Amount B anwenden zu können, darf die Vertriebsgesellschaft weitere wirtschaftlich bedeutsamen Tätigkeiten (z. B. Forschung & Entwicklung, Produktion, …) nur ausüben, wenn diese aus Verrechnungspreissicht von der Vertriebstätigkeit klar abgrenz- und beurteilbar sind. In Bezug auf Retail Aktivitäten soll Amount B nicht zur Anwendung kommen, es sei denn, diese wären im Rahmen der Gesamttätigkeit des Großhändlers von untergeordneter Bedeutung (weniger als 20 % des gesamten jährlichen Nettoumsatzes). Weitere Einschränkungen gibt es im Hinblick auf die vertriebenen Produkte. So soll insbesondere der Vertrieb von Commodities und Dienstleistungen nicht erfasst sein. Weiters sollen einer Reihe von Kriterien notwendig sein, wie die Einhaltung bestimmter Kennzahlen (z. B. Einhaltung eines bestimmten Verhältnisses der jährlichen Operating Expenses zum Nettoumsatz).
Im Konsultationspapier ersucht die OECD zudem um Stellungnahme, ob
- rein quantitative Kriterien ausreichend sind („Alternative A“) oder ob
- zusätzlich auch qualitative Kriterien anhand von nicht abschließenden Fallbeispielen aufgenommen werden sollen („Alternative B“).
Diesbezüglich besteht unter den Mitgliedsländern des G20/OECD Inclusive Framework offensichtlich keine Einigkeit.
Preisbildung
Die Preisbildung für die Amount B unterliegenden Transaktionen soll dann in weitgehend mechanischer Weise unter Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) mit dem Profit Level Indikator (PLI) Return on Sales (ROS) über eine Preismatrix erfolgen.
In Summe soll die Preismatrix also 15 Nettomargen bzw. Bandbreiten enthalten. Im Konsultationspaper wurde bereits eine Preismatrix auf Basis von analysierten Daten, die aus der BvD Orbis-Datenbank stammen, aufgenommen. Dazu wurde ein globales Set von Vergleichsunternehmen herangezogen.
Um Länderbesonderheiten Rechnung zu tragen, ist vorgesehen, dass eine Anpassung der Preismatrix basierend auf Länderrisiken erfolgen soll. Diese wird für eine Reihe von qualifizierten Ländern gelten, die von der OECD noch nicht genauer definiert wurden. Weiters soll es Finanzbehörden in bestimmten Jurisdiktionen, in denen die Datenverfügbarkeit ein Problem sein könnte, auch freistehen, eine Preismatrix basierend auf lokalen Vergleichsdaten zu veröffentlichen.
Dokumentationsanforderungen
Die Dokumentationsanforderungen bei Anwendung von Amount B bauen grundsätzlich auf jenen für Verrechnungspreise des Kapitels V der OECD-Verrechnungspreisleitlinien auf. Bei Anwendung der Preismatrix kann die Erstellung einer Datenbankstudie für die Baseline Vertriebs- oder Marketingaktivitäten entfallen. Zusätzlich sollen Steuerpflichtige allerdings in ihren Local Files die Anwendbarkeit von Amount B mit unterstützenden Informationen begründen. Auch ist bei erstmaliger Anwendung von Amount B eine Zusage aufzunehmen, dass diese Vorgangsweise grundsätzlich für 3 Jahre beibehalten wird.
Fazit
Die Initiative der OECD zu einer Vereinfachung der Festsetzung von Verrechnungspreisen bei gleichzeitiger Erhöhung der Steuersicherheit für Routinetransaktionen im Bereich Vertrieb ist grundsätzlich begrüßenswert. Die Bestimmungen in der derzeitigen Form bergen jedoch auch eine gewisse Komplexität und Interpretationsspielraum. Auch zeigen die von der OECD im Konsultationspapier aufgeworfenen Fragen, dass ein internationaler Konsens zu dem Thema noch nicht hergestellt ist. Es wird sich daher in der Praxis zeigen in welchem Ausmaß die Zielsetzung von Amount B erreicht werden kann.
Verfasst von: Alexander Proier