VwGH: Erfreuliche Entschärfung des Begriffs „Neuheit“ in Bezug auf die Forschungsprämie
Der VwGH hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung (VwGH 29.3.2017, Ra 2015/15/0060) klargestellt, wie der Begriff „Neuheit“ in Bezug auf das Vorliegen einer prämienbegünstigten Forschung und Entwicklung zu interpretieren ist.
Hintergrund
Die Forschungsprämienverordnung und das Frascati Manual definieren Forschung und experimentelle Entwicklung (F&E) als schöpferische Tätigkeit, die auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Die F&E-Tätigkeit muss somit etwas „Neues“ hervorbringen.
Sachverhalt
Einer inländischen Kapitalgesellschaft, die im technisch-betriebswirtschaftlichen Beratungsbereich tätig ist, wurde vom Finanzamt die Forschungsprämie aufgrund eines negativen Gutachtens der FFG (Forschungsförderungsgesellschaft) nicht zuerkannt. Daraufhin hat der Abgabepflichtige Beschwerde erhoben.
Das BFG hat die Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, dass es nicht genüge, „Neues“ hervorzubringen. Es müsse vielmehr eine für jeden Fachkundigen offensichtlich erkennbare Wissenslücke geschlossen werden. Dieses BFG-Urteil (RV/2101202/2014 vom 3.6.2015) fand auch Eingang in die Einkommensteuerrichtlinien (EStR Rz 8208d) und führte in der Praxis zu einer Verschärfung der Anforderungen an das Kriterium „Neuheit“ als Ergebnis von Forschungstätigkeiten iSd § 108c EStG.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH entschärfte nunmehr die strengen Anforderungen des BFG. Für den VwGH ist essentiell, dass die Tätigkeit etwas „Neues“ hervorbringt und den bisherigen Wissensstand in dem erforschten Fachgebiet erweitert. Es muss jedoch keine „für jeden Fachkundigen offensichtlich erkennbare Wissenslücke“ vorliegen: Vielmehr darf lediglich die Lösung, mit der eine bisher bestehende Wissenslücke geschlossen werden soll, nicht für einen Fachmann offensichtlich sein. Die im Rahmen der Forschungstätigkeit erarbeitete oder angestrebte Lösung muss laut VwGH insoweit über den bisherigen Stand des Wissens hinausgehen, als dass sich diese nicht als offensichtliche Lösung der zu erforschenden Fragestellung für einen Fachmann anbietet.
Klargestellt wurde auch, dass die Dokumentation im Rahmen des bisherigen Wissensstandes offensichtlicher Lösungen keine Forschung iSd § 108c EStG darstellt.
Praktische Auswirkungen
Basierend auf diesem Erkenntnis des VwGH sollten die EStR Rz 8208d wieder entschärft werden, da laut VwGH gerade nicht gefordert wird, dass eine für jeden Fachkundigen offensichtlich erkennbare Wissenslücke geschlossen wird.
Ob es durch das Judikat zu einer Änderung der Auslegungspraxis der FFG bei den Jahresgutachten in Bezug auf den F&E-Begriff kommen wird, bleibt abzuwarten.
Gerne beraten wir Sie, inwieweit sich durch dieses VwGH-Erkenntnis Optimierungsmöglichkeiten für die F&E-Projektbeschreibungen für die Beantragung des FFG-Jahresgutachtens ergeben.
Autoren:
Daniela Stastny, Margarete Kinz