Privatstiftung: VfGH zum „Mausefalleneffekt“
Der VfGH befasste sich jüngst mit der Höhe der Stiftungseingangswerte und damit indirekt mit dem sogenannten „Mausefalleneffekt“ (Erkenntnis E5018/2018-16 vom 27. November 2019). Letzterer drückt aus, dass sämtliche Zuwendungen einer Stiftung den Einkünften aus Kapitalvermögen unterliegen, unabhängig davon ob Erträge oder Substanz der Stiftung zugewendet werden.
Im zugrunde liegenden Fall wurde der in 2000 gegründeten Privatstiftung vermietetes Immobilienvermögen unter Zurückbehalt eines Fruchtgenussrechts gestiftet. Die stillen Reserven im Immobilienvermögen waren im Zuwendungszeitpunkt auf Ebene der Stifterin aufgrund des Ablaufs der Spekulationsfrist nicht mehr steuerverfangen. In 2005 wurde die Privatstiftung widerrufen und damit das Vermögen an die Stifterin rückübertragen.
Steuerfreie Substanzauszahlungen durch Privatstiftungen von „Altvermögen“ (d.h. Vermögen, das einer Privatstiftung vor dem 1. August 2008 zugewendet wurde) sind nur bei Widerruf und Rückübertragung an den Stifter in Höhe des Stiftungseingangswertes möglich. Sofern „Neuvermögen“ vorliegt (d.h. Vermögen, das einer Privatstiftung ab dem 1. August 2008 zugewendet wurde), sind steuerfreie Substanzauszahlungen auch an andere Begünstigte möglich, sofern sie im Evidenzkonto Deckung finden und den maßgeblichen Wert übersteigen. Zuwendungen einer Privatstiftung unterliegen daher – mit eng normierten Ausnahmen (Umfang abhängig, ob Alt- oder Neuvermögen vorliegt) – regelmäßig der Kapitalertragsteuer.
Für den vorliegenden Fall bedeutete dies, dass aufgrund der Stiftung von vermietetem Immobilienvermögen die Kapitalertragsteuer lediglich unter Abzug der historischen Anschaffungskosten der Stifterin, gekürzt um die von der Stifterin geltend gemachte AfA, als Stiftungseingangswert berechnet wurde. Das Heranziehen der historischen Anschaffungskosten folgt dem Grundsatz, dass die Privatstiftung die steuerliche Position des Stifters fortführen soll. Normativ bleibt jedoch unbeachtet, ob die im Stiftungszeitpunkt bereits akkumulierten stillen Reserven auf Ebene der Stifterin noch steuerhängig waren oder nicht. Beispielsweise wäre es zu einer Aufwertung auf den Zeitwert im Stiftungszeitpunkt gekommen, hätte die Stifterin das Immobilienvermögen an die Stiftung verkauft und sodann auf die Kaufpreisforderung verzichtet.
Der VfGH gab der Beschwerde aufgrund groben Verkennens der Rechtslage statt und erachtete im vorliegenden Sachverhalt den Verkehrswert der Liegenschaften im Zuwendungszeitpunkt an die Privatstiftung als maßgebenden Stiftungseingangswert.
In einer ersten Reaktion in der Literatur wurde vertreten, dass der VfGH den „Mausefalleneffekt“ zwar nicht abgeschafft, aber zumindest bei Zuwendung von nicht steuerverfangenem Vermögen an die Stiftung abgemildert hat. Bei genauerer Analyse setzt sich der VfGH unseres Erachtens jedoch nicht mit dem Mausefalleneffekt aus verfassungsrechtlicher Sicht auseinander, sondern rügt die Falschanwendung bestehender Normen. Aufgrund des Zurückbehaltens eines Fruchtgenussrechts lag aus Sicht der Privatstiftung nämlich kein Immobilienvermögen vor, welches zur Einkünfteerzielung herangezogen hätte werden können. Vielmehr hätte es gemäß dem VfGH zur Aufwertung auf den Zeitwert im Stiftungszeitpunkt kommen müssen, was der geltenden Norm für nicht vermietetes Grundvermögen entspricht.
Insbesondere hatte der VfGH auch nicht die Gelegenheit, sich mit der Differenzierung zwischen Alt- und Neuvermögen bei Substanzausschüttungen auseinanderzusetzen und er hob keine geltenden Bestimmungen über die Bewertung von Zuwendungen an Privatstiftungen als verfassungswidrig auf. Privatstiftungen sind ungeachtet des nun vorliegenden Erkenntnisses somit weiterhin mit dem „Mausefalleneffekt“ belastet.
Autoren: Lisa Hoflehner / Ines Hofbauer-Steffel