Stiftung: Neue Sichtweise durch den VwGH bei der Übertragung stiller Reserven gemäß § 13 Abs 4 KStG
Grundsätzlich ermöglicht § 13 Abs 4 KStG Stiftungen aufgedeckte stille Reserven aus dem Verkauf von Beteiligungen (an denen die Stiftung oder ihr Rechtsvorgänger zu mindestens 1% innerhalb der letzten fünf Jahre beteiligt war) auf Ersatzbeteiligungen zu übertragen. Bei diesen Ersatzbeteiligungen muss es sich um die Anschaffung eines Anteils an einer Körperschaft von mehr als 10% handeln („Ersatzanschaffung“).
Im Rahmen eines neuen VwGH Falles wurde die Frage beantwortet, ob eine derartige begünstigte Ersatzanschaffung auch vorliegt, wenn eine ordentliche Kapitalerhöhung durch eine bereits zu 100% im Anteil der Stiftung befindlichen Kapitalgesellschaft erfolgt.
Bisherige Ansicht der Finanzverwaltung
Gemäß StiftRL Rz 117 soll eine Kapitalerhöhung (inklusive Agio) grundsätzlich als Anteilsanschaffung für Zwecke des § 13 Abs 4 KStG gelten. In dem Beispiel scheint die Finanzverwaltung auch davon auszugehen, dass die Übertragung stiller Reserven ebenfalls anzuwenden ist, wenn die Stiftung bereits Alleingesellschafterin dieser Kapitalgesellschaft ist.
Neue VwGH Rechtsprechung
In seinem Erkenntnis vom 17. November 2022, Ra 2021/15/0053 verwehrte der VwGH jedoch einer Privatstiftung die Übertragung stiller Reserven gemäß § 13 Abs 4 KStG, weil eine Kapitalerhöhung bei einer bereits 100%igen Tochtergesellschaft keine taugliche Ersatzanschaffung darstellt. Ein Erwerb neuer Anteile im Ausmaß von mindestens 10% an einer bereits zu 100% im Eigentum stehenden Tochtergesellschaft ist nicht möglich. Dies widerspricht der bis dato von der Finanzverwaltung vertretenen Sichtweise.
In der rechtlichen Beurteilung hält der VwGH allerdings fest, dass eine taugliche Ersatzanschaffung auch durch die Neugründung einer Tochtergesellschaft getätigt werden kann. Ebenso kann eine taugliche Ersatzanschaffung durch eine ordentliche Kapitalerhöhung (an einer nicht bereits zu 100% im Eigentum stehenden Kapitalgesellschaft) bewerkstelligt werden, wenn die Privatstiftung dadurch einen mindestens 10%igen Anteil an der Körperschaft zusätzlich erwirbt.
Praktische Hinweise
Der VwGH macht eine erfolgreiche Übertragung stiller Reserven gem § 13 Abs 4 KStG somit von einer Anschaffung „neuer“ Anteile iHv mindestens 10% fest. Sollte die Stiftung bereits Alleingesellschafterin der Kapitalgesellschaft sein oder zu zumindest 90% beteiligt sein, ist eine derartige Anschaffung „neuer“ Anteile nicht mehr möglich.
Da die VwGH Entscheidung auch auf bereits verwirklichte Fälle Wirkung entfalten kann, die im Vertrauen auf die von der Finanzverwaltung vertretene Sichtweise getroffen wurden, ist bei Betriebsprüfungen insbesondere auf verfahrensrechtliche Aspekte zu achten.
Der VwGH lässt die Neugründung einer Tochtergesellschaft dezidiert als taugliche Ersatzanschaffung zu und ermöglicht so Spielraum für Gestaltungen.