Obergrenzenrichtlinie veröffentlicht – Umwidmung von Obergrenzen überschreitenden COVID-19 Beihilfen im Unternehmensverbund nun möglich
Im Zuge der COVID-19 Pandemie hat das BMF über die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) diverse liquiditätsbringende Unterstützungsmaßnahmen in Form von COVID-19 Zuschüssen nach EU-Beihilfenrecht an Unternehmen ausbezahlt. Im Rahmen der nationalen Umsetzung kam es bei der Ausgestaltung der Obergrenzen für Beihilfen nach Abschnitt 3.1 des zugrundeliegenden Befristeten Rahmens (Ausfallsboni, Fixkostenzuschuss 800, Lockdown-Umsatzersatz) sowie für Beihilfen nach Abschnitt 3.12 des Befristeten Rahmens (Verlustersatz I – III) der EU zu einer Abweichung von den EU-Vorgaben.
In den betreffenden nationalen Richtlinien wurde festgehalten, dass jedes rechtsfähige Unternehmen für sich selbst antragsberechtigt ist. Die Beantragung der Förderungen konnte daher unabhängig davon erfolgen, ob das förderwerbende Unternehmen Teil eines Unternehmensverbunds ist oder nicht. Bei der Angabe der „Höchstgrenzen je Unternehmen“ wurden somit auf die einzelnen Unternehmen und nicht auf den Unternehmensverbund abgestellt. Gemäß EU-Beihilfenrecht dürfen die einem Unternehmensverbund gewährten Gesamtbeihilfen jedoch die Obergrenzen des Abschnitt 3.1. und 3.12 des Befristeten Rahmens nicht überschreiten.
Das BMF konnte letztlich eine Einigung mit der Europäischen Kommission über die Behandlung des beihilfenrechtlichen Verstoßes erzielen. Am 20. Juni 2024 erfolgte nun die Kundmachung der Richtlinie betreffend die Umwidmung von Obergrenzen überschreitenden Beihilfen der COFAG in einen Verlustersatz, einen Schadensausgleich oder eine De-minimis-Beihilfe („Obergrenzenrichtlinie“). Die Richtlinie soll die beihilfenrechtskonforme Abwicklung von Obergrenzen überschreitenden COVID-19 Förderungen gewährleisten.
Grundlegende Informationen
Die Obergrenzen betragen insgesamt EUR 2,3 Mio für Beihilfen nach Abschnitt 3.1 des Befristeten Rahmens und EUR 12 Mio für Beihilfen nach Abschnitt 3.12 des Befristeten Rahmens. Die Obergrenzen gelten für den gesamten Unternehmensverbund, dem ein Beihilfenempfänger angehört.
Der Überschreitungsbetrag ist die Summe der Beihilfen, die in Überschreitung einer Obergrenze in Bezug auf einen Unternehmensverbund gewährt wurden oder zustehen.
Die Förderwerber haben nun die Möglichkeit, den Überschreitungsbetrag in (i) einen Verlustersatz, einen Schadensausgleich oder (iii) eine De-minimis-Beihilfe umzuwidmen, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die Umwidmung erfolgt in der Reihenfolge: zuerst in einen Verlustersatz, dann in einen Schadensausgleich und zuletzt in eine De-minimis-Beihilfe.
Der Umwidmungsantrag ist durch einen schriftlich bevollmächtigten Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Bilanzbuchhalter einzubringen. Zusätzlich bedarf es für eine Umwidmung in einen Verlustersatz und/oder Schadensaugleich einer schriftlichen Bestätigung des Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Bilanzbuchhalters in Form einer gutachterlichen Stellungnahme.
Der Umwidmungsantrag kann bis zum 31. Oktober 2024 gestellt werden. Eine mehrmalige Antragstellung ist unzulässig.
Umwidmung Verlustersatz
Für die Umwidmung in einen Verlustersatz sind die Verluste gemäß Punkt 4.2. der Verlustersatzrichtlinien auf Ebene des Unternehmensverbunds, in einem Betrachtungszeitraum oder mehreren Betrachtungszeiträumen (zeitliche Lücken zulässig), zwischen dem 16. September 2020 und dem 31. März 2022, zu ermitteln und dem Ergebnis, das im entsprechenden Vergleichszeitraum 2019 erzielt wurde, gegenüberzustellen.
Die maßgebenden Verluste sind die Verluste, die nach Abzug der finanziellen Maßnahmen und Drittbeihilfen, die nicht in Überschreitung einer Obergrenze angefallen sind und diese Betrachtungszeiträume betreffen, verbleiben. Der Verlustersatzbetrag beträgt 70% (90% bei Klein- oder Kleinstunternehmen) der maßgebenden Verluste, begrenzt mit der Höhe des Überschreitungsbetrags und der Differenz zwischen EUR 12 Mio und den dem Unternehmensverbund gewährten Beihilfen nach Abschnitt 3.12 des Befristeten Rahmens.
Die Berechnung des Mindestumsatzrückgangs hat ebenfalls auf Ebene des Unternehmensverbunds zu erfolgen. Umsätze in mehreren Betrachtungszeiträumen und in den entsprechenden Monaten des Vergleichszeitraums sind jeweils zu addieren.
Umwidmung Schadensausgleich
Für die Umwidmung in einen Schadensausgleich ist der Schaden auf Ebene des einzelnen Unternehmens, in einem Betrachtungszeitraum oder mehreren Betrachtungszeiträumen (zeitliche Lücken zulässig), zwischen dem 16. März 2020 und 31. März 2022, in dem das Unternehmen von einer Lockdown-Maßnahme betroffen war („Betroffenheit“) zu ermitteln.
Der Schaden ist die Differenz des im Betrachtungszeitraum ermittelten Ergebnisses, im Vergleich zum Ergebnis, das im entsprechenden Vergleichszeitraum 2019 erzielt wurde, sofern die Differenz negativ ist. Der Schaden ist als Verlust nach Maßgabe des Punkt 4.2. der Verlustersatzrichtlinien zu ermitteln. Nicht Teil des Schadens sind allgemeine Folgen des pandemiebedingten gesamtwirtschaftlichen Nachfragerückgang, sodass das Ergebnis des Vergleichszeitraum einen pauschalen Abschlag von zumindest 5% unterliegt.
Der maßgebende Schaden ist die Summe, der ermittelten Schäden der einzelnen Unternehmen in einem Unternehmensverbund abzüglich sämtlicher im Unternehmensverbund erhaltener finanziellen Maßnahmen und Drittbeihilfen, die nicht in Überschreitung einer Obergrenze in Bezug auf den Unternehmensverbund gewährt wurden.
Der Schadensausgleichsbetrag entspricht dem maßgebenden Schaden, begrenzt mit der Höhe des Überschreitungsbetrags. Erzielt der Unternehmensverbund einen Jahresüberschuss in jenem Wirtschaftsjahr, in welches zur Gänze der Betrachtungszeitraum fällt, so ist der Schadensausgleichsbetrag, um 10% des ermittelten Jahresüberschusses zu kürzen. Der Schadensausgleichsbetrag ist um weitere 5% (somit insgesamt 15%) zu kürzen, wenn der oa Jahresüberschuss höher, als jener im Vergleichszeitraum 2019 ist.
Umwidmung De-minimis-Beihilfe
Für die Umwidmung in eine De-minimis-Beihilfe ist der De-minimis-Rahmen des Unternehmensverbunds zu ermitteln, der je nach anwendbarer De-minimis-Verordnung zwischen EUR 20.000 und EUR 750.000 liegen kann. Der De-minimis-Rahmen ist die Differenz zwischen der jeweiligen Obergrenze und dem Gesamtbetrag jener Beihilfen, die der Unternehmensverbund auf Basis der jeweiligen De-minimis-Verordnung in den vergangenen drei Jahren oder Steuerjahren von österreichischen Förderstellen erhalten hat. Die Umwidmung in eine De-minimis-Beihilfe kann bis zur Höhe des De-minimis-Rahmens erfolgen
Verfasst von: Daniela Stastny / Stefan Ilic