VwGH bestätigt: unverzinsliche Forderungen sind Kapitalvermögen iSd § 27 EStG
Der VwGH (4.9.2025, Ro 2023/13/0010) hat kürzlich bestätigt, dass die mit dem BBG 2011 eingeführte Vermögenszuwachsbesteuerung im außerbetrieblichen Bereich „produktneutral“ sämtliche Wirtschaftsgüter erfasst, deren Erträge dem Grunde nach von § 27 Abs 2 EStG erfasst würden. Ob das jeweilige Wirtschaftsgut tatsächlich Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen generiert oder es sich um eine unverzinste Forderung handelt, ist unerheblich.
Sachverhalt
Der Mitbeteiligte war Kommanditist einer vermögensverwaltenden KG, die in den Jahren 2017 und 2018 von verschiedenen Gläubigern (aufschiebend bedingte) Forderungen unter dem Nennwert erworben hat, die anschließend im Jahr 2019 beglichen worden sein. Der Mitbeteiligte vertrat dabei die Ansicht, dass die dadurch erzielten Überschüsse nicht steuerbar seien, da nach der älteren Rechtsprechung des VwGH zur Rechtslage vor dem BBG 2011 (VwGH 11.11.2008, 2006/13/0088) die Einziehung einer notleidenden Forderung im außerbetrieblichen Bereich nur im Rahmen der Spekulationseinkünfte innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist steuerpflichtig sei.
Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung schloss sich das BFG dem Mitbeteiligten mit der Begründung an, dass § 27 Abs 3 EStG formal an § 27 Abs 2 leg cit anknüpfe. Eine Wertsteigerung iSd des § 27 Abs 3 EStG würde daher nur bei jenen Wirtschaftsgütern vorliegen, deren laufende Erträge von § 27 Abs 2 EStG erfasst seien, so das BFG. „Werde eine Forderung deshalb unter dem Nominale gekauft, weil sie notleidend sei, und gehe sie dann im Privatvermögen zur Gänze ein, werde dieser wirtschaftliche Vorteil nicht von der Einkommensteuer erfasst. Ein anderer Fall läge nur dann vor, wenn die Forderung bloß im Hinblick auf ihre spätere Fälligkeit um einen Abzinsungsbetrag reduziert erworben würde; in einem solchen Fall erzielte der Zessionar Einkünfte aus Kapitalvermögen. Eine notleidende Forderung werde aber nicht deshalb mit dem niedrigeren Preis bemessen, um Zinsen wegen späterer Fälligkeit der Forderung zu berücksichtigen, womit der erzielte höhere Einlösungsbetrag als „Umkehrung“ eines einstigen Abwertungsvorgangs und somit als Wertänderung des Kapitalstammes zu verstehen sei. Der allenfalls realisierte Unterschiedsbetrag könne daher nicht als Entgelt für die Nutzungsüberlassung von Kapital iSd § 27 EStG 1988 angesehen werden.“ Die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach unter Fremden von der Verzinslichkeit von Forderungen auszugehen sei und daher Einkünfte aus der Einlösung bzw Verkauf von Forderungen stets Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen darstellen würden, überzeuge das BFG nicht, zumal damit der gesetzliche Zinsbegriff über den Wortsinn hinaus erweitert werde und dies im Widerspruch zur der zuvor genannten Rechtsprechung des VwGH stehe.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH hat in seiner Begründung auf die Zielsetzung der mit dem BBG 2011 eingeführten Vermögenszuwachsbesteuerung hingewiesen, wonach nicht nur Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, sondern auch realisierte Wertsteigerungen von Kapitalvermögen generell besteuert werden sollen. Wenngleich § 27 Abs 3 EStG an das Vorliegen von Wirtschaftsgütern anknüpft, deren Erträge als Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen iSd § 27 Abs 2 leg cit zu qualifizieren sind, handelt es sich dabei um einen bloß formalen Verweis, sodass es dabei – wie bereits in der VwGH 18.12.2017, Ro 2016/15/0026 erwähnt – nicht auf konkret erzielte Kapitalerträge ankommt. Vielmehr genügt es, wenn laufende Einkünfte aus der betroffenen Kapitalanlage von § 27 Abs 2 EStG dem Grunde nach erfasst wären. Nur so kann die von der Vermögenszuwachsbesteuerung angestrebte produktneutrale Besteuerung sowie die verfolgte ertragsteuerliche Gleichstellung des betrieblichen und außerbetrieblichen Bereichs gewährleistet werden.
Da es sich bei den streitgegenständlichen Wirtschaftsgütern um Kapitalforderungen handelt, deren laufende Einkünfte von § 27 Abs 2 EStG erfasst würden, führt die Einlösung zu Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen iSd § 27 Abs 3 EStG.
Anmerkung
Der VwGH hat bereits in seiner Entscheidung vom 18.12.2017, Ro 2016/15/0026 im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Einstufung von Fremdwährungsverbindlichkeiten angemerkt, dass es bei der Qualifikation von Kapitalvermögen iSd § 27 Abs 3 EStG nicht auf konkret erzielte Kapitalerträge ankommt, sondern vielmehr ausschlaggebend ist, ob die laufenden Einkünfte aus dem Wirtschaftsgut von § 27 Abs 3 EStG (wohl gemeint § 27 Abs 2 EStG) erfasst würden. Im gegenständlichen Fall hat der VwGH nun seine frühere Ansicht bestätigt und damit klargestellt, dass Erträge aus der Einlösung bzw Veräußerung von nicht verzinslichen Forderungen im außerbetrieblichen Bereich – anders wie nach der Rechtslage vor dem BBG 2011 – unter Einkünfte aus Kapitalvermögen zu subsumieren sind. Demnach ist es für die ertragsteuerliche Qualifikation von Einkünften unerheblich, ob die Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts unter dem Einlösungswert bzw Veräußerungserlös wegen späterer Fälligkeit oder aufgrund der schwachen Werthaltigkeit liegen. Da Kapitalforderungen dem Grunde nach Zinseinkünfte generieren können, fallen sie stets in den Anwendungsbereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen und sind im außerbetrieblichen Bereich somit unabhängig von Behaltedauer steuerpflichtig.
Verfasst von: Johannes Edlbacher, Jan Knesl