VwGH: Anrechnungsmethode bei Drittstaatsportfoliodividenden vor Veranlagung 2011
Hintergrund
Bis vor dem Abgabenänderungsgesetz (AbgÄG) 2011 wurden Erträge aus Portfoliodividenden (Beteiligungsausmaß < 10%) mit Sitz in Drittstaaten aufgrund der nationalen Rechtslage als steuerpflichtig behandelt. Eine steuerfreie Behandlung von Drittlandsdividenden war erst ab einem Beteiligungsausmaß von mindestens 10% möglich. Erträge aus Dividenden von Gesellschaften mit Sitz in der EU bzw. im EWR werden – unabhängig von der Beteiligungshöhe – grundsätzlich steuerfrei gestellt.
Der EuGH hat in diesem Zusammenhang in der Rechtssache Haribo/Salinen (siehe auch unser Newsletter vom 17. Februar 2011) entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Portfoliodividenden aus EU- bzw. EWR-Staaten auf der einen Seite und Drittstaaten auf der anderen Seite gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Die Umsetzung des EuGH-Urteils erfolgte im Zuge des AbgÄG 2011.
Entscheidung des UFS Linz
Der UFS Linz hatte in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2011 (siehe auch unseren Newsletter vom 10. Mai 2011) festgestellt, dass bis zum Ergehen einer Neuregelung Drittstaatsportfoliodividenden auch für die Vergangenheit, analog zu den für EU- und EWR-Dividenden vorgesehenen Voraussetzungen, steuerfrei zu stellen sind. Er gründete diese Entscheidung darauf, dass die Anrechnungs- und die Befreiungsmethode aus Sicht des Unionsrechts gleichwertig seien, dass aber die Anwendung der bedingten Befreiungsmethode, analog zu den Portfoliodividenden aus EU- bzw. EWR-Staaten, dem hypothetischen Willen des Gesetzgebers am nächsten käme.
Gegen den Bescheid des UFS Linz wurde Amtsbeschwerde beim VwGH erhoben.
Abgabenänderungsgesetz (AbgÄG) 2011
Am 1. August 2011 wurde das AbgÄG 2011 veröffentlicht, welches die Ausweitung der bedingten Befreiungsmethode auf Portfoliodividenden aus Drittstaaten, mit welchen eine umfassende Amtshilfe vereinbart wurde, vorsieht. Die Neuregelung ist jedoch erst ab der Veranlagung 2011 anzuwenden (siehe unser Newsletter vom 1. Juni 2011).
Erkenntnis des VwGH
Am 25. Oktober 2011 (2011/15/0070) entschied der VwGH, dass bis zum Inkrafttreten der unionsrechtlich bedingten Änderung des § 10 KStG auf Portfoliodividenden aus Drittstaaten, von welchen die dafür erforderlichen Informationen eingeholt werden können,die Anrechnungsmethode anzuwenden ist.
Steht nationales Recht im Widerspruch zu Unionsrecht und sind mehrere Lösungswege verfügbar um Unionsrechtskonformität herzustellen, so ist jene Lösung anzuwenden, welche den geringsten Eingriff in nationales Recht darstellt. Während der VwGH die Gleichwertigkeit der Befreiungs- und der Anrechnungsmethode im Fall einer gleich hohen oder höheren Besteuerung im Ausland anerkennt, zeigt er die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden Methoden im Fall einer niedrigeren ausländischen Besteuerung auf (österreichische Besteuerung der Teileinkünfte bei Befreiungsmethode: 0%, bei Anrechnungsmethode: niedrigerer %-Satz). Die Anrechnungsmethode stellt daher aus Sicht des VwGH einen geringeren Eingriff in das nationale Recht dar als die Befreiungsmethode und ist zur Herstellung der Unionsrechtkonformität anzuwenden.
Bei der Frage, auf welche Drittstaaten die Steuerentlastung für Portfoliodividenden anzuwenden ist, sieht der VwGH das Erfordernis einer umfassenden Amtshilfe nicht als notwendig an, sondern stellt auf die tatsächliche Möglichkeit der Einholung der entsprechenden Informationen (zB. Steuervorbelastung) ab. Sind diese Informationen nicht erhältlich, so ist die Steuerentlastung zu versagen.
Autorin: Ulrike Koller