BFG zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei ausländischen Versicherungsprodukten
Das Bundesfinanzgericht („BFG“) hat sich in einer neuen Entscheidung zu liechtensteinischen Lebensversicherungen für eine wirtschaftliche Auslegung des ertragsteuerlichen Versicherungsbegriffes ausgesprochen. Laut Ansicht des BFG liegt in der Übernahme eines spezifischen biometrischen Risikos der zentrale Angelpunkt bei der Abgrenzung einer fondsgebundenen Lebensversicherung von einer bloßen Vermögensverwaltung. Erst das Fehlen eines typischen biometrischen Risikos bilde die Wurzel für die Prüfung des wirtschaftlichen Eigentums nach weiteren Zurechnungskriterien.
Sachverhalt
Ein im Abschlusszeitpunkt 83jähriger Beschwerdeführer (Bf) hat im Jahr 2008 drei Lebensversicherungsverträge bei einer liechtensteinischen Versicherung abgeschlossen. Die Verträge weisen folgende Merkmale auf:
- geplante Laufzeit von 25 Jahren bzw. Mindestlaufzeit von 10 Jahren
- Prämienzahlung durch Depotübertragung
- Versicherungsleistung entweder als Kapitalauszahlung oder in Form einer Depotrückübertragung
- im Ablebensfall sollen 105 % und im Erlebensfall bzw. bei Kündigung 100 % des zum Leistungszeitpunkt aktuellen Wertes des Deckungsstockes ausbezahlt werden
- Möglichkeit der Festlegung und Änderung einer standardisierten Anlagestrategie sowie die Auswahl von öffentlich vertriebenen Investmentfonds und deren Umschichtung während der Laufzeit („Shiften“ und „Switchen“)
- Prämien wurden der österreichischen Versicherungssteuer iHv 4 % unterzogen
Das Finanzamt sah die Lebensversicherungsprodukte nicht mit inländischen fondsgebundenen Lebensversicherungsprodukten vergleichbar. Bei weiterer Prüfung der wirtschaftlichen Verfügungsmöglichkeit kam das Finanzamt zum Schluss, dass der Bf im Gesamtbild über die sich im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere verfügen könne. Es versagte die ertragsteuerliche Anerkennung der liechtensteinischen Lebensversicherungen und rechnete die Wertpapiere dem Bf als wirtschaftlichen Eigentümer zu.
Erkenntnis des BFG Wien
Das BFG kommt zum Schluss, dass bei Anwendung des § 27 EStG – wie allgemein grundsätzlich im Ertragsteuerrecht – eine wirtschaftliche Anknüpfung zu erfolgen hat.
Im Zusammenhang mit ausländischen Lebensversicherungen widerspricht das BFG der teil-formalrechtlichen Anknüpfung in Rz 6209 ff der Einkommensteuerrichtlinien. Daraus folgt, dass kein Vergleich mit im Inland formalrechtlich als fondsgebundene Lebensversicherung anerkannten Produkten zu erfolgen hat. Vielmehr ist nach allgemeinen wirtschaftlichen Kriterien zu erforschen, wer (wirtschaftlicher) Eigentümer der Wertpapiere des Deckungsstocks ist und wem daraus die Einkünfte zuzurechnen sind.
Laut Ansicht des BFG liegt in der Übernahme eines spezifischen biometrischen Risikos der zentrale Angelpunkt bei der Abgrenzung einer fondsgebundenen Lebensversicherung von einer bloßen Vermögensverwaltung. Mit Verweis auf die BFG Entscheidung vom 17. Dezember 2014 (RV/5100901/2012) kommt das BFG zum Ergebnis, dass erst das Fehlen eines typischen biometrischen Risikos die Wurzel für die Prüfung nach weiteren Zurechnungskriterien bilde.
Im Anlassfall erkannte das BFG die vertraglich vorgesehene Auszahlung von 105 % des Wertes des Deckungskapitals im Todesfall bei Berücksichtigung des Alters des Bf bei Eingehen der Versicherung eindeutig als versicherungstechnisches Risiko an. Damit war für das BFG die wirtschaftliche Zurechnung der fondsgebundenen Lebensversicherung geklärt. Das BFG folgt damit der Rechtsauffassung des Bf und verneint das wirtschaftliche Eigentum des Bf an den im Deckungsstock befindlichen Wertpapieren.
Ausblick
Zur Frage, ob der ertragsteuerliche Lebensversicherungsbegriff wirtschaftlich oder formal anknüpft, besteht bislang noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde vom BFG aus diesem Grund zugelassen. Soweit ersichtlich wurde auch eine Amtsrevision eingebracht.
Auch eine BFG-Entscheidung aus Dezember 2014 ist derzeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. In diesem zweiten Verfahren geht es ebenfalls um die Grundsatzfrage, ob der ertragsteuerliche Lebensversicherungsbegriff formal an den versicherungsaufsichtsrechtlichen Versicherungsbegriff bzw. die Beurteilung durch die Versicherungsaufsichtsbehörde anknüpft.
Der weitere Verfahrensablauf dieser zwei Verfahren ist mit Spannung zu verfolgen. Die Auslegung des ertragsteuerlichen Lebensversicherungsbegriffs – nach formellen oder wirtschaftlichen Kriterien – könnte auch im Zusammenhang mit der steuerlichen Beurteilung von inländischen Lebensversicherungsprodukten von Relevanz sein. Bei ausländischen Lebensversicherungen erscheint die formalrechtliche Anknüpfung, also der Vergleich mit innerstaatlich als fondsgebundene Lebensversicherung anerkannten Produkten, durch die zwei BFG-Entscheidungen aus derzeitiger Sicht überholt.