Schlussanträge des Generalanwalts Bot zum österreichischen Dreiecksgeschäftsfall
Der VwGH hatte dem EuGH am 19. Oktober 2016 zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die die Maßgeblichkeit der Ansässigkeit des Erwerbers und der fristgerechten Erklärung in der Zusammenfassenden Meldung für die Anwendung der Vereinfachung für Dreiecksgeschäfte klären sollten. Mit seinen Schlussanträgen vom 30. November 2017 in dieser Rechtssache (Rs C-580/16, Firma Hans Bühler KG) kam Generalanwalt (GA) Bot zum Ergebnis, dass die Einschränkung der Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte auf Basis von verwaltungsrechtlichen Anforderungen unzulässig sei, sofern keine vorsätzliche Beteiligung an einer Steuerhinterziehung vorliegt und die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.
Hintergrund
Ausgangssachverhalt
Die Firma Hans Bühler KG, ein in Deutschland ansässiges und umsatzsteuerlich erfasstes Unternehmen, verwendete ihre österreichische UID nur für „Dreiecksgeschäfte“ nach Art 25 UStG. Sie kaufte dabei mehrmals bei in Deutschland ansässigen Lieferanten Gegenstände ein und verkaufte diese an einen in Tschechien ansässigen Kunden weiter. Die Gegenstände wurden jeweils vom ersten deutschen Lieferanten direkt an den tschechischen Empfänger transportiert. Die Hans Bühler KG erstattete zunächst Zusammenfassende Meldungen, in denen sie ihre österreichische UID, jene des tschechischen Empfängers und die Summe der Bemessungsgrundlagen angab. Im erklärungsmäßig vorgesehenen Feld „Dreiecksgeschäfte“ machte die Hans Bühler KG vorerst keine Eintragungen, korrigierte die Zusammenfassenden Meldungen aber später, indem sie zu ebendiesem Feld bekanntgab, es lägen Dreiecksgeschäfte vor.
Rechtliche Grundlage und Problematik
Nach der Umsetzung des Art. 141 der Richtlinie 2006/112 (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) in Österreich in Art 25 Abs 1 UStG liegt ein Dreiecksgeschäft nur dann vor, wenn drei Unternehmer in drei verschiedenen Mitgliedstaaten über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen. Voraussetzung für die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Erwerbs ist nach Art 25 Abs 3 lit c UStG weiters, dass die erworbenen Gegenstände aus einem anderen Mitgliedstaat als jenem stammen, in dem der Unternehmer (Erwerber) zur Umsatzsteuer erfasst ist. Nun sind aber im vorliegenden Fall sowohl der Lieferant als auch der (Zwischen-)Erwerber (dh Hans Bühler KG) in Deutschland ansässig sowie für umsatzsteuerliche Zwecke registriert und verfügen über eine deutsche UID. Der VwGH zweifelt, ob die Verwendung der österreichischen UID bei gleichzeitigem Bestehen einer Registrierung bzw. Ansässigkeit in Deutschland genügt, um die von Art 25 UStG normierte Voraussetzung dreier beteiligter Mitgliedstaaten zu erfüllen.
Art 25 Abs 2 UStG bestimmt weiters, dass die Anwendung der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte die ordnungsgemäße, fristgerechte Erfüllung von Erklärungspflichten in der Zusammenfassenden Meldung bedarf. Im vorliegenden Fall erfolgte die Erklärung als „Dreiecksgeschäft“ in der Zusammenfassenden Meldungen erst verspätet im Rahmen einer Berichtigung.
Vorlagefragen
Mit dem Vorabentscheidungsersuchen möchte der VwGH vom EuGH wissen, ob die Voraussetzungen des Art. 141 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie auch dann erfüllt sind, wenn der Erwerber (Hans Bühler KG) zwar in jenem Mitgliedstaat, aus dem der Gegenstand transportiert wird (Deutschland), ansässig ist, aber die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedstaates (Österreich) verwendet.
Zudem ersucht der VwGH um die Beantwortung der Frage, ob die Vereinfachung für Dreiecksgeschäfte nur dann zusteht, wenn die dafür notwendigen Angaben fristgerecht in der Zusammenfassenden Meldung erfolgen.
Schlussanträge von GA Bot
Nach Ansicht von GA Bot kann die Anwendung der in Art. 141 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vorgesehenen Vereinfachungsmaßnahme der Hans Bühler KG nicht mit der Begründung verweigert werden, dass sie im Abgangsmitgliedstaat der Gegenstände für Mehrwertsteuerzwecke erfasst bzw. ansässig sei oder dass die Erklärungen in den Zusammenfassenden Meldungen über die fraglichen Geschäfte nicht innerhalb der maßgeblichen Frist abgegeben oder berichtigt worden sind.
Einzige Einschränkung für die Anwendung der Vereinfachungsregelung Dreiecksgeschäft nach Ansicht des GA: Es dürfen keine ernsthaften Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung vorliegen und es muss feststehen, dass die materiellen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt sind. Demnach müssen also nachweisbar die Lieferungen innerhalb einer Unternehmerkette ausgeführt werden, die Unternehmer die erworbenen Gegenstände für ihre jeweils besteuerten Umsätze verwenden, die Gegenstände nachweislich von einem EU-Land in ein anderes transportiert werden und der Endabnehmer im Bestimmungsland seinen Eingangsumsatz ordnungsgemäß besteuern.
Implikationen
Bislang nimmt die Finanzverwaltung auch bei der Verletzung nur formaler Voraussetzungen der Vereinfachungsregelungen für Dreiecksgeschäfte nach Art 25 UStG eine strenge Position ein und geht im Wesentlichen davon aus, dass die Möglichkeit zur Anwendung dieser Norm bei einschlägigen Fehlern in der Rechnung oder in der Zusammenfassenden Meldung endgültig verwirkt sei („missglücktes Dreiecksgeschäft“). Eine „Sanierung“ des kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerbs ist nur durch den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat möglich.
Entgegen dieser Ansicht ist für den GA hingegen allein entscheidend, dass nachweisbar die materiellen Voraussetzungen für die Vereinfachung erfüllt sind. Formelle Mängel, zB eine fehlende oder erst verspätete Erklärung in der Zusammenfassenden Meldung, führt allein noch nicht zur Nichtanwendbarkeit der Vereinfachung für Dreiecksgeschäfte. Auch kommt es bei der Anwendung der Vereinfachung für Dreiecksgeschäfte nur auf die für das konkrete Umsatzsteuergeschäft verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer an, sofern die Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern nicht missbräuchlich erfolgte.
Das Urteil des EuGH in der Rs. Hans Bühler KG darf daher mit Spannung erwartet werden.