OECD veröffentlicht einen Vorschlag zur Neufassung der internationalen Gewinnzuteilungsregeln
Unter der Prämisse, dass die derzeitigen internationalen Besteuerungsregeln nicht mehr ausreichen, um eine gerechte Verteilung der Besteuerungsrechte in einer zunehmend globalisierten und digitalisierten Welt zu gewährleisten, veröffentlichte das Sekretariat der OECD am 9. Oktober 2019 seinen Vorschlag für einen einheitlichen Ansatz („Unified Approach“) zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle.
Der Vorschlag folgt der ersten Säule des am 31. Mai 2019 veröffentlichten „Arbeitsprogrammes zur Entwicklung einer einheitlichen Lösung für die steuerlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Wirtschaft“. Dieses Arbeitsprogramm zeigt Alternativen auf, wie die Besteuerungsrechte den Ländern zugewiesen werden können, in denen Unternehmen mit ihren Konsumenten ohne lokale physische Präsenz (insbesondere mittels digitaler Geschäftsmodelle) Umsätze erwirtschaften („Verbraucherländer“).
Vorschlag der OECD
Auf dieser Grundlage legte das OECD-Sekretariat nun einen Vorschlag vor, um bis Ende 2020 einen Konsens der 134 Mitglieder des sogenannten Inclusive Framework der OECD zu erreichen. Falls der Vorschlag angenommen wird, würde dies die internationalen Besteuerungsgrundsätze fundamental ändern. Obwohl der Unified Approach weitgehend die derzeitigen Verrechnungspreisregeln beibehält, die auf dem Fremdverhaltensgrundsatz („Arm´s Length Principle“,“ALP“) in den Artikeln 7 und 9 des OECD-Musterabkommens basieren, weicht er unter bestimmten Umständen vom ALP ab, indem er formelbasierte Lösungen umsetzt. Im Ergebnis soll der neue dreistufige Gewinnmechanismus aus einer neuen und zwei überarbeiteten Gewinnzuteilungsregeln („überarbeitete Gewinnzuteilungsregeln“) bestehen:
- Betrag A: Auf der Grundlage neuer, über das ALP hinausgehender Besteuerungsrechte zugunsten der Verbraucherländer wird Betrag A als ein Teil des globalen Residualgewinnes ermittelt, wobei als Residualgewinn jener Gewinn angenommen wird, der verbleibt, nachdem die Routinefunktionen in den einzelnen Ländern abgegolten wurden. Dieser Teil des Residualgewinnes (Betrag A) wird in einem weiteren Schritt den Verbraucherländern nach einem Umsatzschlüssel zugewiesen. Dieser Ansatz enthält somit sowohl Merkmale der Gewinnteilungsmethode (Residual Profit Split Method) als auch der formelhaften Gewinnzuteilungsmethode (Fractional Apportionment Method). Während gemäß Vorschlag diese Regeln sowohl für Gewinne als auch Verluste gelten sollen, müssen die Höhe des Routinegewinns sowie der Anteil des den Verbraucherländern zuzuweisenden Anteils am Residualgewinn noch in der Vereinbarung zwischen den Mitgliedern des Inclusive Framework festgelegt werden.
- Betrag B sieht eine feste Vergütung für bestimmte Routinefunktionen – insbesondere in den Bereichen Marketing und Vertrieb – vor. Damit soll sowohl eine Vereinfachung der Gewinnzurechnung an die Marktländer erreicht als auch künftig die Zahl der Steuerstreitigkeiten im Zusammenhang mit diesen Routinefunktionen vermindert werden.
- Betrag C würde in jenen Fällen zur Anwendung kommen, in denen die Aktivitäten eines Unternehmens in einem Land über bloße, mit dem Betrag B abgegoltene Routinefunktionen hinausgehen. Hier würden – weitgehend nach den bereits geltenden Verrechnungspreisgrundsätzen – höhere Gewinne für erweiterte Marketing- und Vertriebs- oder andere Tätigkeiten zu versteuern sein.
Der Unified Approach sieht zudem für alle drei Elemente der überarbeiteten Gewinnzuteilungsregeln verbindliche und wirksame Mechanismen zur Vermeidung und Beilegung von Streitigkeiten vor, die gleichzeitig in den einzelnen Ländern umzusetzen wären.
Betroffene Unternehmen
Die überarbeiteten Gewinnzuteilungsregeln sollen (über die bekannten großen Tech-Konzerne hinaus) große konsumentenorientierte Unternehmen betreffen, die als Unternehmen definiert werden, die Umsätze aus der Lieferung von Konsumgütern an Letztverbraucher bzw. aus der Erbringung digitaler Dienstleistungen an diese erzielen. Darüber hinaus sollen die Änderungen auch für Unternehmen gelten, die sich einer – verbundenen oder nicht verbundenen – Vertriebseinheit bedienen. Andererseits werden voraussichtlich bestimmte Wirtschaftssektoren (wie zB die Rohstoffindustrie, unter Umständen auch Finanzdienstleistungen) aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden. Außerdem können Größenbeschränkungen gelten, wie beispielsweise die für das CbCR geltende Umsatzschwelle von EUR 750 Mio.
Steuerpflicht ohne physische Präsenz
Der Vorschlag macht Änderungen der Doppelbesteuerungsabkommen und korrespondierende innerstaatliche Maßnahmen erforderlich, um die neuen Gewinnzuteilungsregeln umzusetzen. Die OECD sieht daher vor, dass ein Unternehmen im Land seiner Konsumenten dann steuerpflichtig wird, wenn es sich – auch ohne physische Präsenz – nachhaltig und bedeutend an der Wirtschaft dieses Landes beteiligt. Primärer Indikator dafür wäre das Überschreiten einer an die Größe des Marktes angepassten Umsatzschwelle. Daneben wären unter anderem auch bestimmte andere, nicht unmittelbar im generierten Umsatz abgebildete Aktivitäten (zB Online-Werbeaktivitäten) zu berücksichtigen.
Die nächsten Schritte
Zahlreiche Aspekte des Vorschlages erfordern noch weitere Arbeiten. Die bis zum 12. November 2019 vorzulegenden Kommentare und die Diskussionen in den öffentlichen Konsultationssitzungen am 21. und 22. November 2019 sollen die Mitglieder des Inclusive Framework bei der Entwicklung einer Lösung bis Ende 2020 unterstützen.