Anrechnungsvortrag für ausländische Quellensteuern

Angesichts der wirtschaftlichen Lage gibt die Finanzverwaltung einer langjährigen Forderung nach und eröffnet unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit eines Anrechungsvor-trags für ausländische Quellensteuern auf Einzelfallbasis im Wege eines Entlastungsverfah-rens gemäß § 48 BAO (EAS 3065 vom 22.5.2009).

Ausgangsproblematik

Bei Bezug ausländischer Einkünfte kommt es in der Praxis häufig zur potentiellen Doppelbe-steuerung, wenn die Einkünfte sowohl im Ausland (Quellenstaat) als auch in Österreich (An-sässigkeitsstaat) der Besteuerung unterworfen werden. Aufgrund von Doppelbesteuerungs-abkommen (DBA) ergibt sich für den Ansässigkeitsstaat regelmäßig die Verpflichtung zur Entlastung von der drohenden Doppelbesteuerung, entweder durch Freistellung der auslän-dischen Einkünfte oder durch Anrechnung der im Ausland DBA-konform erhobenen Quel-lensteuer. Letztere Methode („Anrechnungsmethode“) ist regelmäßig für Passiveinkünfte (Zinsen, Lizenzgebühren, Dividenden), je nach Doppelbesteuerungsabkommen (z.B. DBA mit Großbritannien, Italien, Japan, USA) aber auch für „Aktiveinkünfte“ (v.a. ausländische Betriebsstätten) vorgesehen.

Die grundsätzliche Problematik ist darin zu sehen, dass ausländische Quellensteuern nur dann in Österreich angerechnet werden können, wenn die entsprechenden Auslandseinkünf-te im Jahr ihrer Erzielung in Österreich einer tatsächlichen Steuerbelastung unterliegen. Steht den ausländischen Einkünften kein ausreichend positives Welteinkommen gegenüber (z.B. aufgrund von Verlusten im Inland) und wird in Österreich im betreffenden Jahr aufgrund der Verlustsituation keine Steuer erhoben, so kann in diesem Veranlagungszeitraum eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern nicht erfolgen. Eine Verrechnung der nicht ange-rechneten Quellensteuern in künftigen Veranlagungszeiträumen („Anrechnungsvortrag“) war nach bisheriger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis nicht möglich. Durch den Einbezug der ausländischen Einkünfte in die inländische Steuerbemessungsgrundlage (Welteinkom-men) und die damit verbundene Kürzung bzw. (teilweise) Nichtentstehung des Verlustvortra-ges entstand faktisch eine Doppelbesteuerung in Höhe jener Einkommen- bzw. Körper-schaftsteuer, welche infolge der Unterdrückung des Verlustvortrages in Folgejahren erhoben wird.

Entlastungsverfahren gemäß § 48 BAO

Das BMF gesteht nun in einer Einzelerledigung (EAS 3065 vom 22.5.2009) zu, dass diese Form der Doppelbesteuerung durch Beantragung einer Entlastung gemäß § 48 BAO vermie-den werden kann.

Als Voraussetzungen für die Einleitung eines auf § 48 BAO gestützten Entlastungsverfah-rens werden genannt:

  • Stellung eines ausreichend begründeten Antrags;
  • ausreichende Dokumentation der ausgleichsbedürftigen Doppelbesteuerung (inklusive ausreichend nachvollziehbare Dokumentation über die Ermittlung der Auslandseinkünfte, insbesondere Berücksichtigung aller mit den ausländischen Einnahmen in direktem Zu-sammenhang stehenden Kosten, z.B. Refinanzierungskosten);
  • Führung eines sachgerechten Aufzeichnungssystems, welches auch bei komplizierten Sachverhaltsentwicklungen eine verlässliche Prüfung der Umsetzung des Anrechnungs-vortrags zulässt (d.h. wohl eine verständliche Darstellung der Zusammensetzung und Entwicklung des „Anrechnungsvortrags“).

Der ausreichend begründete Antrag auf Entlastung gemäß § 48 BAO ist direkt beim BMF einzubringen, die tatsächliche Gewährung der Entlastung steht im Ermessen der Finanzver-waltung. In der Praxis ist jedoch davon auszugehen, dass in begründeten und ausreichend dokumentierten Fällen dem Antrag entsprochen und ein entsprechender Bescheid erlassen wird. Dieser Bescheid ordnet die (grundsätzliche) Vortragsfähigkeit der nicht anrechenbaren Auslandssteuern an, die eigentliche Anrechung erfolgt dann im jeweiligen Veranlagungsbe-scheid.

Aufgrund des in der EAS geschilderten Anlassfalles (nicht anrechenbare Quellensteuern aus den Jahren 2000-2004, Anrechnung in 2005) sollten auch vergangene Perioden vom An-rechnungsvortrag erfasst sein.

Nicht erfasste Fälle

Nicht von der Entlastung erfasst dürften jedoch weiterhin Fälle sein, in denen die im Ausland erhobene Quellensteuer – bei „ausreichend“ positivem Welteinkommen – die im Inland auf die relevanten Einkünfte entfallende Ertragsteuer („Anrechnungshöchstbetrag“) übersteigt. Die diesbezügliche Problematik stellt sich vor allem bei ausländischen Passiveinkünften mit unmittelbar zusammenhängenden Aufwendungen (z.B. Sublizenzen, refinanzierte Darlehen). Wird hier die Steuer im Ausland von den ungekürzten (Brutto-)Einnahmen bemessen, kann es infolge der Nettobesteuerung im Inland (trotz Anrechnungsvortrag) dazu kommen, dass nicht die gesamten ausländischen Quellensteuern angerechnet werden können. Kann hier keine Nettobesteuerung im Quellenstaat herbeigeführt werden (z.B. unter Berufung auf eine mögliche Gemeinschaftsrechtswidrigkeit), so wird die diesbezüglich nicht anrechenbare Quellensteuer weiterhin zum finalen Kostenfaktor.

Die Gewährung eines Anrechnungsvortrags für nicht (voll) anrechenbare fiktive ausländische Quellensteuern („matching credit“) erscheint mangels faktischer Doppelbesteuerung eben-falls ausgeschlossen.

Ausblick

Ob das BMF zur Vermeidung des mit der Bescheidausstellung verbundenen Arbeitsauf-wands und zur Erhöhung der Rechtssicherheit für den Abgabepflichtigen eine generelle Re-gelung in Form einer (Ergänzung zur bestehenden) Verordnung zu § 48 BAO erlassen wird, bleibt abzuwarten.