Stabilitätsgesetz 2012 – Auswirkungen in der Umsatzsteuer
Kein Vorsteuerabzug bei der Auslagerung von Bauvorhaben mehr
Die bisherige Praxis
Vor allem Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, und die öffentliche Hand haben in der Vergangenheit die Errichtung von Bauvorhaben oftmals ausgelagert. In der Praxis haben diese unecht befreiten Unternehmer und die öffentliche Hand das Gebäude oft nicht selbst errichtet, gekauft oder saniert. Sie verwendeten eine eigene Errichtungsgesellschaft, die das Gebäude errichtete, kaufte oder sanierte. Im Anschluss daran vermietete diese Gesellschaft umsatzsteuerpflichtig an die unecht befreiten Unternehmer oder die öffentliche Hand.
Durch die umsatzsteuerpflichtige Vermietung konnte die Errichtungsgesellschaft den vollen Vorsteuerabzug aus der Errichtung oder dem Kauf geltend machen. Nach 10 Jahren stand es der Errichtungsgesellschaft offen, das Gebäude entweder umsatzsteuerfrei an die unecht befreiten Unternehmer oder die öffentliche Hand zu verkaufen oder umsatzsteuerfrei zu vermieten. Der ursprünglich geltend gemachte Vorsteuerabzug musste nicht berichtigt werden.
Die Neuregelung
Eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung ist nur noch dann erlaubt, wenn der Mieter das Grundstück ausschließlich für steuerpflichtige Umsätze verwendet. In allen anderen Fällen, wenn also der Mieter das Grundstück auch für steuerfreie Umsätze verwendet (wenn auch nur geringfügig), die vom Vorsteuerabzug ausschließen, kann der Vermieter nur noch umsatzsteuerfrei an den Mieter vermieten. Derzeit nicht vorgesehen: eine Toleranzregelung – nämlich, dass der Mieter trotz (bis zu einem bestimmten Prozentsatz) unecht befreiter Umsätze steuerpflichtig vermieten kann. Eine solche Toleranzregelung wird im Rahmen der Begutachtung des Gesetzes angeregt werden.
Konsequenz: die bisherige Praxis der Errichtung mit steuerpflichtiger Vermietung an unecht befreite Unternehmer oder die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte öffentliche Hand wird unterbunden. Der Vermieter kann an solche unecht befreite Unternehmer oder die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte öffentliche Hand nur noch umsatzsteuerfrei vermieten. Dem Vermieter steht daher auch kein Vorsteuerabzug aus der Errichtung, dem Kauf oder der Sanierung des Gebäudes zu.
Wer ist betroffen
Betroffen sind neben Banken, Versicherungen, Ärzten und Versicherungsvermittlern auch Länder, Gemeinden und andere Körperschaften öffentlichen Rechts im nicht vorsteuerabzugsberechtigten Bereich.
Nach dem Wortlaut des Gesetzesentwurfs wären aber auch alle anderen Unternehmer betroffen, die neben steuerpflichtigen Umsätzen auch steuerfreie Umsätze erbringen, die vom Vorsteuerabzug ausschließen. Dies auch dann, wenn der Anteil der steuerbefreiten Umsätze vernachlässigbar gering ist. Jede auch noch so kleine unecht steuerbefreite Tätigkeit des Mieters führt daher dazu, dass der Vermieter nur noch umsatzsteuerfrei an den Mieter vermieten kann.
Da der Vermieter dann überhaupt keinen Vorsteuerabzug mehr hat, wird der Vermieter die Umsatzsteuerkosten in das Mietentgelt einrechnen. Die Mietkosten werden daher für Unternehmer, die auch unecht steuerfreie Leistungen erbringen, steigen. Im Rahmen der Begutachtung des Gesetzes werden alternative zweckdienliche Regelungen vorgeschlagen (Toleranzregel, Anwendung des Umsatzschlüssels der Bank beim Vermieter usw.).
Schlussendlich sind aus diesem Grund auch alle Vermieter von der Neuregelung betroffen. Sie müssen überprüfen, ob der Leistungsempfänger zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist oder nicht. Außerdem sollen die Fristen zur Vorsteuerberichtigung deutlich verlängert werden (siehe unten).
Wie der Vermieter diesen Nachweis erbringen soll und inwieweit er auf Angaben des Mieters vertrauen darf (möglicherweise unrichtige Umsatzsteuererklärungen oder Umsatzsteuerbescheide), ist nicht geregelt. Auch das wird im Rahmen der Begutachtung angesprochen.
Ab wann gilt die Neuregelung
Die Neuregelung gilt für alle Miet- und Pachtverhältnisse, die nach dem 31. März 2012 beginnen. Aber: die Neuregelung ist nicht anwendbar, wenn der Vermieter mit der Errichtung des Gebäudes vor dem 1. April 2012 begonnen hat. Eine steuerpflichtige Vermietung ist dann auch nach dem 31. März 2012 möglich. Die Frage, ab wann in diesem Sinn mit der Errichtung eines Gebäudes begonnen wird (Baugenehmigung, Beginn der Arbeiten auf der Baustelle usw.), ist nicht geregelt.
Umsatzsteuer – Frist zur Vorsteuerberichtigung für Gebäude auf 20 Jahre verlängert
Die bisherige Regelung
Bei Gebäudeinvestitionen: Haben sich die Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgeblich waren, geändert, musste bisher die geltend gemachte Vorsteuer innerhalb von 10 Jahren berichtigt werden.
Die Neuregelung
Die Berichtigungsfrist wird auf 20 Jahre verlängert. Die Aufzeichnungen für betroffene Grundstücke müssen 22 Jahre aufbewahrt werden.
Wer ist betroffen
Betroffen sind alle, die ein Gebäude oder eine Eigentumswohnung errichten, erwerben oder Großreparaturen vornehmen. Ändern sich innerhalb der nunmehr 20-jährigen Frist die Verhältnisse (umsatzsteuerfreier Verkauf, umsatzsteuerfreie statt umsatzsteuerpflichtige Vermietung usw.), muss der Vermieter die Vorsteuern anteilig berichtigen.
Ab wann gilt die Neuregelung
Die verlängerte Frist gilt für alle Grundstücke, die der Unternehmer nach dem 31. März 2012 erstmals als Anlagevermögen verwendet. Bei der Vermietung für Wohnzwecke gilt die neue Frist, wenn der Vertragsabschluss nach dem 31. März 2012 erfolgt.