Vorbehaltene Dividende als Teil des Veräußerungspreises?

In den erst kürzlich veröffentlichten neuen Körperschaftsteuerrichtlinien (KStR 2013) finden sich zahlreiche neue Aussagen der Finanzverwaltung, die für alle zukünftigen Fälle (teilweise auch für Altfälle) beachtlich sein sollen. Als besonders brisant erweist sich eine Aussage zur Anwendbarkeit der Beteiligungsertragsbefreiung des § 10 KStG für den Fall, dass bei der Veräußerung einer Beteiligung ein Dividendenvorbehalt vereinbart wird. Danach sollen vorbehaltene Dividenden als Veräußerungsgewinn behandelt werden.

Ausgangsproblem

Im Rahmen der Veräußerung einer Beteiligung kann schuldrechtlich vereinbart werden, dass zukünftige Dividenden noch dem Altgesellschafter (Veräußerer) zukommen sollen. Der Veräußerer ist somit im Zeitpunkt, in dem die Dividende beschlossen und ausgeschüttet wird, nicht mehr wirtschaftlicher Eigentümer der Beteiligung. Wenn der Veräußerer eine Kapitalgesellschaft ist, stellt sich daher die Frage: Kann er für die Ausschüttung der Dividende die Beteiligungsertragsbefreiung in Anspruch nehmen oder handelt es sich bei der vorbehaltenen Dividende um einen Teil des Kaufpreises – der somit als Veräußerungsgewinn steuerpflichtig ist.

Bisheriger Meinungsstand

Die Ansicht der Finanzverwaltung zu vorbehaltenen Dividenden war bisher eindeutig: In den KStR 2001 (Rz 512) wurde die Aussage getroffen, dass bei einer Beteiligungsveräußerung mit einem Dividendenvorbehalt, durch den „dem Veräußerer die nächste, erst zu beschließende Dividende für das im Veräußerungszeitpunkt bereits abgelaufene Geschäftsjahr zukommen soll, […] die Befreiung ungeachtet der Tatsache [greift], dass im Zeitpunkt der Ausschüttung die Beteiligung dem Veräußerer nicht mehr zuzurechnen ist.“

Diese Auslegung steht im Einklang mit der herrschenden Meinung im Schrifttum, dass vorbehaltene Dividenden auch der Steuerbefreiung zugänglich sein sollen. Der Beteiligungsertragsbegriff sei kausal zu verstehen. Deshalb muss auch eine nachträgliche Ausschüttung, die aufgrund der früheren Gesellschafterstellung (causa societatis) erfolgt, steuerbefreit sein. Auch der Gesetzeszweck, die Vermeidung einer Mehrfachbesteuerung im Unternehmensbereich, erfordert diese Auslegung.

Restriktive Meinung in den KStR 2013

Die Richtlinienbestimmung zu vorbehaltenen Dividenden wurde in den vor kurzem veröffentlichten KStR 2013 (Rz 1168) geändert. Demnach soll bei einem Dividendenvorbehalt „kein befreiter Beteiligungsertrag vor[liegen], wenn die vorbehaltene Dividende in offenkundigem Zusammenhang mit dem Verkauf steht und daher in wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen Teil des Kaufpreises darstellt.“ Die Anwendbarkeit von § 10 KStG auf vorbehaltene Dividenden wird somit nicht mehr explizit bestätigt – die Neufassung wirkt vielmehr einschränkend.

Angesichts dieser restriktiven Aussage in den KStR besteht nun die Befürchtung, dass die Finanzverwaltung in allen Fällen eine Verknüpfung des Dividendenvorbehalts zum steuerpflichtigen Verkaufsvorgang herstellen wird. Dadurch bliebe kein Raum mehr für eine Befreiung von vorbehaltenen Dividenden beim Altgesellschafter.

Eine solche Auslegung gibt der Wortlaut der KStR 2013 zwar her, geht aber vermutlich über die Absicht der KStR hinaus, die offensichtlich auf missbräuchliche Gestaltungen abzielen. Die Richtlinien verweisen nämlich auf eine Entscheidung des VwGH aus 2005, die eine extreme Fallkonstellation betraf. Über einen regulären Dividendenvorbehalt, der lediglich thesaurierte Gewinne betrifft, die dem für die Gewinnerzielung verantwortlichen Altgesellschafter zukommen sollen, hat der VwGH demgegenüber (noch) nicht abgesprochen.

Mögliche Auswirkungen

Die neue Richtlinienaussage ist kritisch zu betrachten, da sie die vom VwGH getroffenen Aussagen aus dem Kontext reißt und verallgemeinert. Unseres Erachtens ist es zu weit gegriffen, nun jede vorbehaltene Dividende pauschal in einen Veräußerungsgewinn umzuqualifizieren. Dem steht nämlich entgegen, dass der Beteiligungsertragsbegriff kausal zu verstehen ist und auch nachträglich ausgeschüttete Dividenden das „causa societatis“- Kriterium erfüllen können. Unseres Erachtens können nur unter besonderen Umständen, wie beispielsweise im VwGH-Erkenntnis, vorbehaltene Dividenden in wirtschaftlicher Betrachtungsweise in einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn umqualifiziert werden.

In Anbetracht der Neufassung der KStR ist dennoch Vorsicht geboten, da die künftige Handhabung dieser Richtlinienbestimmung durch die Finanzverwaltung noch offen ist.