OECD BEPS Aktion 6 – Die Verhinderung von Abkommensmissbrauch
Die OECD sieht im Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eine der Hauptquellen von Base Erosion and Profit Shifting (BEPS). Aus diesem Grund befasst sich Aktionspunkt 6 der am 5. Oktober 2015 veröffentlichten Maßnahmen des BEPS Projekts explizit mit dieser Thematik. Durch die in Aktion 6 vorgeschlagenen Änderungen des OECD Musterabkommens sowie des OECD Musterkommentars soll Abkommensmissbrauch aus verschiedenen Perspektiven bekämpft werden. Im folgenden Beitrag sollen die wichtigsten der zu erwartenden Regelungen überblicksmäßig beschrieben werden.
Überblick
Die OECD veröffentlichte bereits im September 2014 einen ersten Zwischenbericht zu Aktionspunkt 6. Diese Version wurde im Rahmen zweier zusätzlicher Discussion Drafts weiterentwickelt und liegt nun in ihrer (vorläufigen) Endversion vor. Die vorgeschlagenen Regelungen müssen für ihre Wirksamkeit grundsätzlich in die DBA der teilnehmenden Staaten aufgenommen werden. Nach derzeitiger Planung soll dies durch Unterzeichnung eines multilateralen Abkommens (BEPS Aktion 15) erfolgen. Die folgend dargestellten Neuerungen stellen eine Auswahl der in Aktion 6 enthaltenen Regelungsvorschläge dar und sollen insb. „Treaty Shopping“, „Rule Shopping“ und das Verwenden von DBA Bestimmungen zum Zwecke der Verhinderung der Anwendbarkeit von nationalen Missbrauchsbestimmungen verhindern.
Limitation-on-Benefits Klausel
Die erste seitens der OECD vorgeschlagene Bestimmung ist die sogenannte Limitation-on-Benefits (LoB) Klausel. Diese LoB-Klausel existiert in zwei Ausprägungen: in der detaillierten US-Version sowie in einer (alternativ umzusetzenden) vereinfachten Variante. Durch diese Bestimmung soll der Zugang zum DBA neu geregelt werden. Demnach müssen neben dem Kriterium der DBA-Ansässigkeit in einem der beiden Vertragsstaaten auch die Voraussetzungen der LoB-Klausel erfüllt werden. Das bedeutet im Wesentlichen, dass der Steuerpflichtige für die Erlangung einer Abkommensbegünstigung einen der in der LoB-Klausel festgeschriebenen Tests bestehen muss. Wird kein Test bestanden, so kann noch versucht werden, Abkommensvorteile im Wege einer Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung zu erlangen. Ziel der LoB-Klausel ist die Sicherstellung von ausreichend Nexus oder Substanz des Steuerpflichtigen. Im österreichischen Abkommensnetzwerk ist diese Bestimmung bisher nur im DBA mit den USA enthalten.
Principal Purposes Test
In Aktionspunkt 6 wird auch die Einführung einer allgemeinen Anti-Missbrauchsbestimmung auf Abkommensebene vorgeschlagen. Gemäß dieses „Principal Purposes Tests“ (PPT) sollen Abkommensvorteile dann nicht gewährt werden, wenn die Finanzverwaltung begründet annehmen kann, dass einer der Hauptgründe des Handelns des Steuerpflichtigen in der Erlangung dieses Abkommensvorteils gelegen ist. Der Steuerpflichtige kann den Abkommensvorteil dennoch beanspruchen, wenn er beweisen kann, dass sein Handeln im Einklang mit Sinn und Zweck des Abkommens liegt. Diese Bestimmung wurde aufgrund ihrer Strenge („einer der Hauptgründe“), sowie der faktischen Umkehr der Beweislast („begründet annehmen vs. beweisen“) heftig kritisiert. Auch wenn die österreichische allgemeine Anti-Missbrauchsbestimmung des § 22 BAO grundsätzlich bereits auf DBA-Sachverhalte anwendbar ist, wäre eine derartige Strenge, wie sie im PPT enthalten ist, ein klares Novum für die österreichische Abkommenspraxis.
Spezielle Anti-Missbrauchsbestimmungen
Zusätzlich dazu wird die Einführung bestimmter spezieller Anti-Missbrauchsbestimmungen auf DBA-Ebene vorgeschlagen. Diese befassen sich mit:
- Mindesthaltedauern von über 25%igen Beteiligungen
- bestimmten Erweiterungen, sowie der Einführung von Rückschauzeiträumen bei Immobiliengesellschaften
- zwingenden Feststellungen der DBA-Ansässigkeit doppelt ansässiger Gesellschaften im Wege eines Verständigungsverfahrens (ohne Einigungszwang)
- bestimmten Regelungen zu Dreieckssachverhalten mit Hinzurechnung von Vermögen zu Betriebsstätten in Niedrigsteuerländern
Vergleichbare Regelungen sind in österreichischen DBA zum Teil bereits vereinzelt enthalten.
Ausblick
Die OECD gibt den Staaten hinsichtlich der Umsetzung der in Aktion 6 vorgeschlagenen Maßnahmen einen gewissen Spielraum. Zusätzlich zur Festschreibung der Zielsetzung der Vermeidung von Steuerumgehung in Titel und Präambel der DBA ist als Mindeststandard die Einführung von entweder:
- einer Version der LoB-Klausel und dem PPT,
- nur dem PPT oder
- der (detaillierten) Version der LoB-Klausel plus einer Bestimmung, die bestimmte „conduit finance arrangements“ verhindert,
vorgesehen.
Aus heutiger Sicht ist es jedoch unsicher, ob und – wenn ja – in welcher Form die einzelnen Vorschläge ihren Weg in die österreichischen DBA finden. Dies hängt einerseits vom Umsetzungswillen des österreichischen Gesetzgebers und andererseits vom Erfolg des multilateralen Instruments zur Vereinfachung der Umsetzung der durch das BEPS-Projekt erfolgten Änderungen auf Abkommensebene ab.