Schlussanträge Generalanwalt Wahl: Energieabgabenvergütung auch für Dienstleistungsbetriebe?

Das BFG Linz hatte dem EuGH am 31. Oktober 2014 drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die sich allesamt auf die beihilferechtliche Beurteilung der österreichischen Energieabgabenvergütung bezogen haben (RE/5100001/2014). Mit seinen Schlussanträgen vom 17. März 2016 in dieser Rechtssache (C-493/14, Dilly’s Wellnesshotel GmbH) kam Generalanwalt (GA) Wahl zum Ergebnis, dass die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe dem Durchführungsverbot des Art 108 Abs. 3 AEUV unterliegt.

Hintergrund

Durch das BBG 2011 wurde die Möglichkeit, eine Energieabgabenvergütung (ENAV) zu beantragen, mit Wirkung ab dem 1. Februar 2011 auf Produktionsbetriebe eingeschränkt. Der Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der ENAV wurde seitens des EuGH bereits im Jahr 2001 als staatliche Beihilfe qualifiziert (C-143/99, Adria-Wien Pipeline). Der österreichische Gesetzgeber sah die neuerliche Ausklammerung von Dienstleistungsbetrieben im Jahr 2011 jedoch durch die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) gedeckt. Die Einschränkung der ENAV durch das BBG 2011 wurde der Europäischen Kommission angezeigt („Freistellungsanzeige“) und von dieser im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Vorlagefragen

Mit den Vorlagefragen wollte das BFG wissen, ob der österreichische Gesetzgeber bei der Einschränkung der ENAV die materiellen und formellen Vorschriften der AGVO verletzt hat oder nicht. So fördert die ENAV kein energieeffizientes Verhalten, was aus Sicht des BFG aber erforderlich wäre, um als Umweltschutzbeihilfe iSd AGVO qualifiziert zu werden. Zudem wurden bei der ENAV einige Dokumentations- und Transparenzvorschriften des Kapitels I der AGVO nicht eingehalten (z.B. Verweis auf die AGVO im EnAbgVergG; Veröffentlichung der Maßnahme bei Inkrafttreten im Internet; verspätete Freistellungsanzeige an die Europäische Kommission). Das BFG zweifelt auch an, ob die von der AGVO geforderte zeitliche Limitierung der ENAV auf 10 Jahre eingehalten wurde. Ein Hinweis auf diese zeitliche Begrenzung ist dem EnAbgVergG jedenfalls nicht zu entnehmen.

Schlussanträge von GA Wahl

Nach Ansicht von GA Wahl muss ein Mitgliedstaat sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen der AGVO erfüllen, damit eine Beihilfenregelung von der Anmeldepflicht des Art 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV befreit ist. Dies ist laut GA Wahl bei der Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe nicht erfolgt, da im EnAbgVergG kein Verweis auf die AGVO aufgenommen wurde. Aus diesem Grund scheitert seiner Meinung nach die Anwendung der AGVO und Österreich hat gegen die Anmeldepflicht von neuen Beihilfen gem. Art 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV und in weiterer Folge auch gegen das Durchführungsverbot des Art 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstoßen.

Die Tatsache, dass die ENAV kein energieeffizientes Verhalten fördert, stünde der Anwendung der AGVO nach Ansicht von GA Wahl hingegen nicht entgegen. Sollte der EuGH dieser Sichtweise folgen, wäre die Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe – vorausgesetzt, es werden sämtliche formellen Voraussetzungen erfüllt – pro futuro von der AGVO gedeckt. Auch eine explizite Aufnahme der Limitierung auf 10 Jahre in das EnAbgVerG ist laut GA Wahl nicht erforderlich.

Implikationen

Sollte der EuGH der Ansicht von GA Wahl folgen, hätte der österreichische Gesetzgeber gegen das in Art 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV geregelte Durchführungsverbot verstoßen. Dennoch wäre die Gefahr einer Rückforderung der von Produktionsbetrieben seit 2011 bezogenen ENAV als gering einzuschätzen, da aufgrund der erfolgten Freistellungsanzeige an die Kommission ein berechtigtes Vertrauen auf das Nichtvorliegen einer staatlichen Beihilfe entstanden ist.

Ob die ENAV, wie der Beschwerdeführer vor dem BFG argumentiert, bei Qualifizierung als staatliche Beihilfe rückwirkend auch für Dienstleistungsunternehmen (für Zeiträume ab 2011) zu gewähren wäre, erscheint fraglich; hält doch der EuGH eine Sanierung von staatlichen Beihilfen durch Ausweitung des Vorteils auf andere im Regelfall für unzulässig (siehe z.B. Air Liquide, C-393/04 und C-41/05). Dennoch sprechen im konkreten Fall gute Gründe dafür, dass eine Ausweitung zulässig sein könnte:

Laut Erläuterungen zur Regierungsvorlage sollte die Einschränkung auf Produktionsbetriebe nämlich nur vorbehaltlich einer Genehmigung durch die Europäische Kommission in Kraft treten. Sollte der EuGH zum Ergebnis kommen, dass die erforderliche Anmeldepflicht gem. § 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV bei der Europäischen Kommission verletzt wurde, könnte argumentiert werden, dass die Rechtslage vor dem BBG 2011 unverändert weiter gilt und somit auch Dienstleistungsbetriebe Anspruch auf eine Energieabgabenvergütung haben.

Das Urteil des EuGH in der Rs. Dilly’s Wellnesshotel GmbH, mit dem im Sommer 2016 zu rechnen ist, darf daher mit Spannung erwartet werden.

 

Autor: Nikolaus Neubauer