BFG erkennt Missbrauch bei Anwendung der Mutter-Tochter Richtlinie
Das BFG hat mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2017 (RV/7106377/2016) entschieden, dass in diesem Fall die Einschaltung einer luxemburgischen Holding-Struktur mit Substanz und Funktion im Zusammenhang mit der Mutter-Tochter-Richtlinie Missbrauch darstellt.
Sachverhalt
An einer österreichischen AG (L-AG) hält eine luxemburgische Kapitalgesellschaft (LuxCo1) 39,73% der Anteile. Die Anteile an der LuxCo1 werden zu 100% von einer anderen luxemburgischen Kapitalgesellschaft (LuxCo2) gehalten. An der LuxCo2 ist über einen Treuhänder (T-Ltd, ansässig auf den Cayman Islands) ein australischer Fonds zu 100% beteiligt. Die australische B Pty Limited hat mit dem Fonds einen Beratungsvertrag abgeschlossen.
LuxCo1 verfügt über keine eigenen Mitarbeiter sowie Büroräumlichkeiten und hält keine anderen Beteiligungen. Die Geschäftsführung der LuxCo1 wird durch die LuxCo2 erbracht.
LuxCo2 verfügt ab April 2015 über 3 Mitarbeiter (Geschäftsführer und Bilanzbuchhalter Vollzeit; Büroleiter 32h/Woche) und Büroräumlichkeiten in Luxemburg. Des Weiteren hält die LuxCo2 (indirekt) vier Beteiligungen an Unternehmen, die im Infrastrukturbereich tätig sind.
Die österreichische L-AG tätigte im Mai 2015 eine Gewinnausschüttung iHv rd. EUR 10m. Da die Mindestbehaltefrist von einem Jahr für eine KESt-freie Gewinnausschüttung zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingehalten war, wurden rd. EUR 2,5m KESt von der L-AG einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Von der LuxCo1 wurde nach Erfüllung der Mindestbehaltedauer ein Antrag auf Rückerstattung gestellt. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mit der Begründung abgelehnt, dass der Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür biete, dass die Zwischenschaltung der luxemburgischen Gesellschaften wirtschaftlich sinnvoll sei bzw. diese keine sinnvollen Funktionen ausüben. Der einzige erkennbare Zweck dieser luxemburgischen Gesellschaften sei Directive Shopping. Somit sei deren Einschaltung als missbräuchlich einzustufen.
Die LuxCo1 legte gegen die Abweisung des Finanzamts Beschwerde ein. Im Wesentlichen argumentierte die LuxCo1, dass die LuxCo2 operativ tätig sei und des Weiteren als Plattform für Investments in Infrastruktur-Gesellschaften diene. Daher könne kein Missbrauch vorliegen, weil die luxemburgischen Gesellschaften nicht funktionslos sind und es sich daher nicht um eine künstliche Gestaltung handelt.
Begründung des BFG
Das BFG wies die Beschwerde der LuxCo1 mit folgenden Argumenten ab:
- Mit den Ausführungen, dass die LuxCo2 als Plattform für verschiedene Investments in Infrastrukturunternehmen diene, wird nicht das Erfordernis der Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft dargetan.
- Gewinnausschüttungen an Holdinggesellschaften mit dahinterstehenden operativen Gesellschaften, die in der EU ansässig sind, sind nicht missbräuchlich. Allerdings handle es sich bei der LuxCo2 um keine operative Gesellschaft. Der BFG argumentiert, dass diese ab März 2015 nur 3 Mitarbeiter und von September 2014 bis März 2015 lediglich einen Mitarbeiter hatte (der 2 bis 3 Tage im Büro in Luxemburg tätig war).
- Beim australischen Fonds handelt es sich nicht um eine EU-Kapitalgesellschaft, auf die die Mutter-Tochter-Richtlinie anwendbar sei. Die LuxCo2 werde zwar seit Gründung 2010 als Beteiligungsplattform genutzt. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei jedoch davon auszugehen, dass nicht die LuxCo2 selbst geschäftsleitend tätig sei, sondern der Fonds, da dieser über die finanziellen Mittel und über das Know-How (über die B Pty Ltd) verfüge.
Somit handle es sich bei der vorliegenden Struktur um Missbrauch gemäß § 22 BAO.
Der Fall ist beim VwGH unter Ro 2018/13/0004 anhängig.
Fazit
Überraschend ist, dass diese Struktur als Missbrauch qualifiziert wird, obwohl in dieser sowohl Substanz (eigene Büroräumlichkeiten; 3 qualifizierte Mitarbeiter, die Management-Dienstleistungen erbringen) als auch eine Funktion (Bündelung von Beteiligungen) auf Ebene der LuxCo2 vorhanden ist.
Unseres Erachtens ist die Begründung des BFG nicht überzeugend und es ist fraglich, ob diese im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH steht.
Zu beachten ist auch, dass das BFG-Erkenntnis bereits am 4. Dezember 2017 ergangen ist, die EuGH Judikate zu Deister Holding (C-504/16) und Juhler Holding (C-613/16) jedoch erst am 20. Dezember 2017. In den beiden EuGH-Judikaten ging es um Missbrauch im Zusammenhang mit der Mutter-Tochter-Richtlinie bei vergleichbaren Sachverhalten. Unseres Erachtens hat der EuGH in diesen Urteilen ein wesentlich engeres Verständnis zum Missbrauchsbegriff verwendet.
Der Fall ist beim VwGH anhängig. Aus unserer Sicht bestehen gute Chancen, dass das BFG-Erkenntnis vom VwGH aufgehoben wird.
Es ist derzeit davon auszugehen, dass Rückerstattungsanträge für KESt auf Gewinnausschüttungen auf Basis der Mutter-Tochter-Richtlinie bzw. Doppelbesteuerungsabkommen in Zukunft kritischer von den zuständigen Finanzämtern geprüft werden. Bei Rückerstattungsanträgen ist daher aufgrund dieses anhängigen Verfahrens erhöhte Vorsicht geboten.