VfGH-Normenprüfung betreffend Abzinsung von Jubiläumsgeldrückstellungen
Das österreichische Ertragsteuerrecht sieht für langfristige Rückstellungen iSd § 9 EStG einen Abzinsungsfaktor iHv 3,5% p.a. vor. Ebenfalls langfristige Pensionsrückstellungen und Jubiläumsgeldrückstellungen sind hingegen gem § 14 EStG mit einem Rechnungszinsfuß iHv 6% p.a. abzuzinsen. Das BFG äußerte – hinsichtlich der der Beschwerde zugrunde liegenden Jubiläumsgeldrückstellungen – verfassungsrechtliche Bedenken wegen der aus den unterschiedlichen Abzinsungsfaktoren (3,5% vs 6%) resultierenden Ungleichbehandlung langfristiger Rückstellungen und stellte diesbezüglich zwei inhaltlich idente Normenprüfungsanträge an den VfGH (RN/7100001/2019 und RN/7100003/2019).
Begründung des BFG
- Jubiläumsgelder werden Dienstnehmern anlässlich einer gewissen Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit gewährt und sind als Belohnungen für langjährige Tätigkeiten anzusehen. Ihre wirtschaftliche Verursachung liegt somit in Zeiträumen vor dem Bilanzstichtag. Dienstjubiläumsgelder, die auf einer rechtsverbindlichen Zusage beruhen, unterscheiden sich daher nicht von sonstigen ungewissen Verbindlichkeiten gem § 9 Abs 1 Z 3 EStG.
- Jubiläumsgeldrückstellungen nach § 14 EStG werden nach dem Ansammlungsverfahren gebildet. Die Bildung von Ansammlungsrückstellungen wird jedoch auch für langfristige Rückstellungen iSd § 9 EStG als zulässig erachtet. Insoweit liegt keine Unterscheidung vor.
- Zwar regelt die Spezialnorm des § 14 EStG ihrem Wesen nach langfristige Rückstellungen für Sozialkapital, jedoch können langfristige Rückstellungen iSd § 9 Abs 5 EStG ebenfalls einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten umfassen. Gerade um eine steuerliche Gleichbehandlung trotz der unterschiedlichen Rückstellungdauer gewährleisten zu können, hat der Gesetzgeber mit dem AbgÄG 2014 die Abzinsung langfristiger Rückstellungen eingeführt. Eine Unterscheidung von langfristigen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und jene für Jubiläumsgelder kann somit dem Grunde nach nicht erkannt werden.
- Der VfGH führte bereits in seinem Erkenntnis vom 9. Dezember 1997, G 403/97, aus, dass hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Rückstellungen für Jubiläumsgelder keine sachliche Rechtfertigung für das Abweichen von den Grundsätzen des § 9 Abs 1 Z 3 EStG vorhanden sein dürfte.
Ausblick
Hebt der VfGH die vom BFG in dessen (Haupt-)Antrag als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen in § 14 EStG auf, würde die Abzinsung mit einem Rechnungszinsfuß iHv 6% sowohl für Pensionsrückstellungen als auch für Jubiläumsgeldrückstellungen beseitigt werden. Dass dennoch eine Verzinsung zu erfolgen hat, ergibt sich aus den versicherungs- und finanzmathematischen Grundsätzen, die für die Bildung von Jubiläums- und Pensionsrückstellungen nach § 14 EStG maßgebend sind. Nach Ansicht des BFG wäre in diesem Fall eine nach § 14 EStG ermittelte Bemessungsgrundlage für Jubiläumsgelder als langfristige ungewisse Verbindlichkeit mit 3,5% (§ 9 Abs 5 EStG) abzuzinsen, während Pensionsrückstellungen jedoch aufgrund ihrer Besonderheiten bei der Berechnung nicht in die Verzinsung mit 3,5 % mit einbezogen würden.
Diese Rechtsfolgen werden wirksam ab dem der Veröffentlichung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag bzw im Fall einer vom VfGH gesetzten Reparaturfrist nach Ablauf dieser Frist, sofern der Gesetzgeber nicht bereits zuvor eine neue Regelung erlassen hat. Für den Anlassfall sind aufgehobene Bestimmungen keinesfalls mehr anzuwenden.
Allerdings hat das BFG neben dem erwähnten Normenprüfungsantrag in eventu beantragt, nur einzelne der angeführten Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben. Es wäre daher beispielsweise auch möglich, dass der VfGH den Rechnungszinsfuß in Höhe von 6% für Jubiläumsgeldrückstellungen als verfassungswidrig erachtet, während der Rechnungszinsfuß für Pensionsrückstellungen unangetastet bleibt.