Russland suspendiert Teile des Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich
Mit Dekret vom 08. August 2023 hat Russland einseitig die Anwendung des Gutteils der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Russland suspendiert. Dies hat auch Auswirkungen auf österreichische Steuerpflichtige.
Hintergrund
Als Reaktion auf westliche Sanktionen (ua. Aufnahme Russlands auf die „Schwarze Liste“ der EU) haben das Außenministerium sowie das Finanzministerium Russlands dem russischen Präsidenten bereits im März 2023 empfohlen, ein Dekret zur Suspendierung bzw. Kündigung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit „unfreundlichen Staaten“ zu erlassen. Die Empfehlung ist nun umgesetzt worden: Mit Dekret vom 08. August 2023 (in russischer Sprache) hat Russland einseitig die Anwendung von Bestimmungen aus über 30 DBAs, darunter auch das DBA Österreich-Russland, suspendiert. In weiterer Folge ergeht eine offizielle Mitteilung des russischen Außenministeriums an Österreich (liegt nach unserem Kenntnisstand noch nicht vor)
Was suspendiert werden soll
Entsprechend des Dekrets wird nicht das gesamte DBA Österreich-Russland von russischer Seite suspendiert. Die Suspendierung betrifft jedoch weitreichende Teile des DBAs:
- Betriebsstättendefinition (Artikel 5)
- Verteilungsnormen (Artikel 6-22)
- Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steuern (Artikel 26.1)
- Beschränkung von Vergünstigungen (Artikel 26.2)
Darüber hinaus werden einige ergänzende Passagen des Protokolls nicht weiter angewendet.
Welche Auswirkungen hat die Suspendierung?
Für österreichische Unternehmen, die weiterhin Geschäftstätigkeiten in Russland aufrechterhalten, hat die Suspendierung erhebliche Auswirkungen. Hierzu zählt:
- Keine weitere Anwendung des bisher abkommensrechtlich reduzierten Quellensteuersatzes von russischer Seite auf Dividenden
- Kein Schutz vor Doppelbesteuerung von Zinsen und Lizenzgebühren
- Mögliche Doppelbesteuerung von Löhnen und Gehältern von Arbeitnehmern, die ihre Tätigkeit zumindest teilweise in Russland ausüben
Aufgrund der Suspendierung der Amtshilfe bei der Vollstreckung von Abgabenansprüchen, ist insbesondere vor dem Hintergrund der derzeitigen Suspendierung des Informationsaustausches (vgl. dazu BMF-Info vom 18. Juli 2022) mit Russland fraglich, ob weiterhin von einer umfassenden Amtshilfe gegenüber Russland ausgegangen werden kann. Der Wegfall der umfassenden Amtshilfe hätte im innerstaatlichen Recht u.a. folgende Auswirkungen:
- Ex lege Ausscheiden russischer Gruppenmitglieder und Nachversteuerung sämtlicher noch nachversteuerungshängiger Verluste (§ 9 (2) KStG)
- Nachversteuerung russischer Verluste (z.B. Betriebsstättenverluste) spätestens im dritten Jahr nach deren Ansatz, sofern nicht bereits davor eine Verlustverwertung in Russland erfolgt ist (§ 2 (8) EStG)
- Wegfall der Beteiligungsertragsbefreiung auf Portfoliodividenden (§ 10 (1) Z 6 KStG)
- Wegfall der Spendenbegünstigung (§ 4a (4) EStG)
- Wegfall der Möglichkeit zum freiwilligen KESt-Abzug bei unverbrieften Derivaten durch auszahlende russische Stellen (§ 95 (2) Z 4 EStG)
Ausblick
Zukünftig wird Russland wesentliche Teile des DBA Österreich-Russlands nicht mehr anwenden. Da das DBA Österreich-Russland grundsätzlich nur die Möglichkeit einer gesamthaften Kündigung des Abkommens vorsieht, bestehen derzeit einige inhaltliche offene Fragen, die sich voraussichtlich erst in den nächsten Wochen beantworten lassen (z.B. Timing, ab wann Russland seinerseits die Begünstigungen des DBA nicht mehr anwendet, Auswirkung der Suspendierung auf die Existenz der umfassenden Amtshilfe, Anwendbarkeit der Verordnung zu § 48 BAO). Unabhängig davon ist Unternehmen mit Geschäftsaktivitäten in Russland zu empfehlen, die Auswirkungen dieses Schritts auf ihre Strukturen und Transaktionen zu prüfen. Gerne unterstützen wir Sie hierbei.
Autor: Sophie Schönhart