Immaterielle Wirtschaftsgüter: Änderung der Kapitel I, II und VI der OECD Verrechnungsgrundsätze
Wie angekündigt, haben die G20 Finanzminister bei ihrem Treffen im australischen Ciarns am 20./21. September 2014 ein erstes Paket von Maßnahmen zum 15-Punkte umfassenden BEPS-Aktionsplan genehmigt. Im Folgenden möchten wir über die wichtigsten Eckpunkte des Arbeitspapiers zu Aktionspunkt 8 „Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftgüter“ und die sich daraus ergebenden Änderungen der Kapitel I, II und VI der OECD Verrechnungspreisgrundsätze berichten.
Kurz zusammengefasst enthält das Arbeitspapier
- eine Definition von immateriellen Wirtschaftsgütern,
- Grundsätze zur Identifikation von Transaktionen, welche immaterielle Wirtschaftsgüter beinhalten,
- Ausführungen betreffend die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern,
- Überlegungen zur Berücksichtigung von lokalen Marktgegebenheiten und Konzernsynergien und
- zahlreiche Beispiele, die die Anwendung der Grundsätze veranschaulichen sollen.
Einschränkend ist zu anzumerken, dass die überarbeiteten Grundsätze aufgrund der Wechselwirkungen mit anderen Aktionspunkten teilweise noch als vorläufig zu qualifizieren sind. Dies insbesondere, da einige der verrechnungspreisbezogenen Themen, die immaterielle Wirtschaftsgüter betreffen, auch Gegenstand des Aktionspunktes 9 (Risiko und Kapital) und des Aktionspunktes 10 (sonstige risikoreiche Transaktionen) sind. Maßnahmen zu diesen Aktionspunkten werden erst im Laufe des Jahres 2015 erwartet.
Rechtliches Eigentum
Die Grundsätze stellen eine weitere Bekräftigung der – in den bereits veröffentlichten Diskussionsentwürfen geäußerten – Ansicht dar, dass das rechtliche Eigentum alleine nicht ausreicht, um daraus Ansprüche auf den Residualgewinn abzuleiten. Das rechtliche Eigentum dient vielmehr als Ausgangspunkt für eine Analyse konzerninterner Geschäfte mit immateriellen Wirtschaftsgütern.
Daraus lässt sich ableiten, dass der rechtliche Eigentümer nur dann vollen Anspruch auf die zu erwartenden Gewinne aus der Verwertung des immateriellen Wirtschaftsguts hat, wenn er
- die wesentlichen Funktionen übernimmt,
- sämtliche Vermögensgegenstände zur Verfügung stellt sowie die Finanzierung übernimmt und
- die Risiken, die sich aus der Entwicklung, Verbesserung, Werterhaltung, dem Schutz und der Verwertung ergeben, trägt.
In dem Ausmaß, in dem andere Gesellschaften eines Konzerns Funktionen ausüben, Vermögensgegenstände einsetzen und Risiken übernehmen, die mit der Entwicklung, Verbesserung, Werterhaltung, dem Schutz und der Verwertung des immateriellen Wirtschaftsguts einhergehen, müssen diese einen fremdüblichen Anteil am Gewinn erhalten. Die Vergütung der anderen Konzerngesellschaften kann somit – abhängig vom jeweiligen Sachverhalt – den vollständigen oder teilweisen Gewinn aus der Verwertung des immateriellen Wirtschaftsguts umfassen.
Dieser Fokus auf die funktionale Komponente der Wertschöpfung bedeutet aber nicht, dass der rechtliche Eigentümer tatsächlich sämtliche Funktionen durch seine eigenen Mitarbeiter unmittelbar ausführen muss, um schlussendlich Anspruch auf den (vollen oder teilweisen) Gewinn aus der Verwertung des immateriellen Wirtschaftguts zu haben. Es ist grundsätzlich auch ausreichend, wenn die Konzerngesellschaften, die diese ausgelagerten Tätigkeiten („Outsourcing“) übernehmen, auf Anweisung und Kontrolle des rechtlichen Eigentümers agieren und dieser die Funktion daher nur indirekt ausübt.
Insofern eine Konzerngesellschaft lediglich die Finanzierungsfunktion („Funding“) ausübt und keine sonstigen Funktionen übernimmt oder Risiken trägt, ergibt sich somit im Allgemeinen daraus kein Anspruch auf einen Anteil am Gewinn, der mit dem eines Investors, der zusätzlich wesentliche Funktionen übernimmt und wesentliche Risiken trägt, vergleichbar wäre.
Methodenwahl
Obwohl aus den überarbeiteten Grundsätzen klar hervorgeht, dass jede der fünf OECD-Verrechnungspreismethoden grundsätzlich bei Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern zur Anwendung kommen kann, lässt sich eine Präferenz für die Preisvergleichs- oder Gewinnteilungsmethode ableiten. Auch die Anwendung von Bewertungsmethoden wird für Fälle befürwortet, für die keine vergleichbaren Transaktionen mit immateriellen Wirtschaftsgütern gefunden werden können.
Die Auswahl der sachgerechtesten Verrechnungspreismethode hat grundsätzlich auf einer Funktionsanalyse zu basieren, die eine klare Beschreibung der globalen Geschäftsprozesse beinhalten muss und zeigt, wie immaterielle Wirtschaftsgüter mit anderen Funktionen, Vermögensgegenständen und Risiken interagieren.
Identifikation von „immateriellen Wirtschaftsgütern“
Die überarbeiteten Grundsätze beinhalten umfangreiche Ausführungen hinsichtlich der Kategorisierung von immateriellen Wirtschaftsgütern. Die Einteilung in „immaterielle Marketingwerte“ und „immaterielle gewerbliche Wirtschaftsgüter“ wird dabei grundsätzlich beibehalten.
Im Zusammenhang mit der Identifikation von immateriellen Wirtschaftsgütern wird auch ausdrücklich festgehalten, dass nicht alle immateriellen Wirtschaftsgüter einen Anspruch auf einen Residualgewinn in sich bergen.
Die Definition des Kapitel VI grenzt den Begriff des immateriellen Wirtschaftsguts anhand dreier Kriterien ab:
-
Negativabgrenzung zu physischen und finanziellen Wirtschaftsgütern: ein Wirtschaftsgut, das unter eine dieser Kategorien zu subsumieren ist, kann grundsätzlich kein immaterielles Wirtschaftsgut sein
-
Eigentum bzw. Kontrolle: es muss für Zwecke der wirtschaftlichen Nutzung möglich sein, Eigentum an dem Wirtschaftgut zu haben bzw. Kontrolle über das Wirtschaftsgut auszuüben
-
Vergütung bei Transfer: ein (hypothetischer) Transfer des Wirtschaftsgutes zwischen fremden Dritten unter vergleichbaren Bedingungen muss zu einer Vergütung führen
Weiters wird in Kapitel VI auch festgehalten, dass immaterielle Wirtschaftsgüter vom Firmenwert oder von Geschäftstätigkeiten („Ongoing Concern“) sowie von Marktkonditionen oder lokalen Marktsituationen – welche nicht kontrollierbar sind bzw. nicht im Eigentum stehen können – zu unterscheiden sind.
Sonstige wesentliche Änderungen in Kapitel I-II der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze
Die im Arbeitspapier vorgesehenen Änderungen beinhalten insbesondere Ausführungen zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Zusammenhang mit Standortvorteilen, sonstigen lokalen Marktgegebenheiten, eingearbeiteten Belegschaften („Assembled Workforce“) und Konzernsynergien. Da diese Faktoren einen Einfluss auf den fremdüblichen Verrechnungspreis haben, müssen sie bei einer Vergleichbarkeitsanalyse berücksichtigt werden. D.h. im Rahmen der Vergleichbarkeitsanalyse muss berücksichtigt werden, wie fremde Dritte in vergleichbaren Situationen die Vor- und Nachteile, die sich aus diesen Faktoren ergeben, aufteilen würden.
Sonstige wesentliche Änderungen in Kapitel VI der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze
Kapitel VI beinhaltet auch Überlegungen zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Verbindung mit Kostenersatz für Marketingaktivitäten, Auftragsforschung, Nutzung des Konzernnamens sowie der Marke bzw. von Warenzeichen.
Autor: Michael Höfinger
