VwGH hebt Erkenntnis des BFG bezüglich Missbrauch bei KESt-Rückerstattung auf
Der VwGH hat das Erkenntnis des BFG vom 4. Dezember 2017 (RV/7106377/2016) aufgehoben, wonach die Einschaltung einer luxemburgischen Holding-Struktur mit Substanz und Funktion im Zusammenhang mit der Mutter-Tochter-Richtlinie Missbrauch darstellt.
Sachverhalt
An einer österreichischen AG (L-AG) hält eine luxemburgische Kapitalgesellschaft (LuxCo1) rund 40% der Anteile. Die Anteile an der LuxCo1 werden zu 100% von einer anderen luxemburgischen Kapitalgesellschaft (LuxCo2) gehalten. An der LuxCo2 ist über einen Treuhänder (T-Ltd, ansässig auf den Cayman Islands) ein australischer Fonds zu 100% beteiligt. Die australische B Pty Limited hat mit dem Fonds einen Beratungsvertrag abgeschlossen.
LuxCo1 verfügt über keine eigenen Mitarbeiter sowie Büroräumlichkeiten und hält keine anderen Beteiligungen. Die Geschäftsführung der LuxCo1 wird durch die LuxCo2 erbracht.
LuxCo2 verfügt über 3 Mitarbeiter (Geschäftsführer und Bilanzbuchhalter Vollzeit; Büroleiter 32h/Woche) und Büroräumlichkeiten in Luxemburg. Des Weiteren hält die LuxCo2 (indirekt) vier Beteiligungen an Unternehmen, die im Infrastrukturbereich tätig sind.
Die österreichische L-AG tätigte im Mai 2015 eine Gewinnausschüttung iHv rd. EUR 10m. Da die Mindestbehaltefrist von einem Jahr für eine KESt-freie Gewinnausschüttung zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingehalten war, wurden 25% KESt von der L-AG einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Von der LuxCo1 wurde nach Erfüllung der Mindestbehaltedauer ein Antrag auf Rückerstattung gestellt. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mit der Begründung abgelehnt, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Zwischenschaltung der luxemburgischen Gesellschaften wirtschaftlich sinnvoll sei bzw. diese sinnvolle Funktionen ausüben. Der einzige erkennbare Zweck dieser luxemburgischen Gesellschaften sei Directive Shopping. Somit sei deren Einschaltung als missbräuchlich einzustufen.
Die LuxCo1 legte gegen die Abweisung des Finanzamts Beschwerde ein. Im Wesentlichen argumentierte die LuxCo1, dass die LuxCo2 operativ tätig sei und des Weiteren als Plattform für Investments in Infrastruktur-Gesellschaften diene. Daher könne kein Missbrauch vorliegen, weil die luxemburgischen Gesellschaften nicht funktionslos sind und es sich daher nicht um eine künstliche Gestaltung handelt.
Begründung des BFG
Das BFG wies die Beschwerde der LuxCo1 mit folgenden Argumenten ab (siehe hierzu auch den PwC Newsletter vom 20. Juni 2018):
- Mit den Ausführungen, dass die LuxCo2 als Plattform für verschiedene Investments in Infrastrukturunternehmen diene, wird nicht das Erfordernis der Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft dargetan.
- Gewinnausschüttungen an Holdinggesellschaften mit dahinterstehenden operativen Gesellschaften, die in der EU ansässig sind, sind nicht missbräuchlich. Allerdings handle es sich bei der LuxCo2 um keine operative Gesellschaft. Der BFG argumentiert, dass diese ab März 2015 nur 3 Mitarbeiter und von September 2014 bis März 2015 lediglich einen Mitarbeiter hatte (der 2 bis 3 Tage im Büro in Luxemburg tätig war).
- Beim australischen Fonds handelt es sich nicht um eine EU-Kapitalgesellschaft, auf die die Mutter-Tochter-Richtlinie anwendbar sei. Die LuxCo2 werde zwar seit Gründung 2010 als Beteiligungsplattform genutzt. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei jedoch davon auszugehen, dass nicht die LuxCo2 selbst geschäftsleitend tätig sei, sondern der Fonds, da dieser über die finanziellen Mittel und über das Know-How (über die B Pty Ltd) verfüge.
Somit handle es sich bei der vorliegenden Struktur um Missbrauch gemäß § 22 BAO.
Aufhebung durch den VwGH
Der VwGH hob das Erkenntnis des BFG am 27. März 2019 (Ro 2018/13/0004) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts mit folgender Begründung auf:
- Das BFG hat die Rechtslage verkannt, da es für seine Beurteilung nicht die Mutter-Tochter Richtlinie sowie die hierzu ergangene Judikatur (insbesondere Eqiom und Enka (C-6/16 ) vom 7. September 2017 sowie die späteren Urteile zu Deister Holding (C-504/16) und Juhler Holding (C-613/16) vom 20. Dezember 2017) herangezogen hat.
- Der VwGH erteilt der vom BFG gewählten Beurteilung eine Absage, dass eine wirtschaftliche Begründung einer Struktur verlange, dass eine alternative Gestaltung unmöglich wäre (im konkreten Fall, dass ohne die Einschaltung einer EU-Gesellschaft die Transaktion gescheitert wäre). Vielmehr besteht eine wirtschaftliche Begründung bereits dann, wenn die Unternehmensstruktur dem Konzern ermögliche, ihre angestrebten wirtschaftlichen Ziele besser und sicherer zu erreichen.
- Des Weiteren bestätigt der VwGH, dass LuxCo2 eine wirtschaftliche Betätigung ausübt, da diese über einen Geschäftsführer, einen Bilanzbuchhalter und einen Büroleiter im Luxemburger Büro verfügt. Auch die Vorgabe einer bestimmten Investitionspolitik durch die Anteilseigner ist für den VwGH nicht schädlich.
- Der geschäftsleitenden Tätigkeit von LuxCo2 steht es nicht entgegen, dass sie über finanzkräftige Anteilseigner verfügt und dass sich die Tätigkeit der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter nicht auch auf die fachliche Beratung der Zielgesellschaft erstreckt.
Fazit
Die Entscheidung des VwGH ist zu begrüßen, da das ursprüngliche Erkenntnis des BFG überraschend war und zu einer Rechtsunsicherheit bezüglich der Anwendbarkeit der Mutter-Tochter Richtlinie geführt hat.
Aus der Entscheidung des VwGH ist allerdings auch abzuleiten, dass für die Inanspruchnahme der Begünstigungen der Mutter-Tochter Richtlinie in Zukunft verstärkt auf Substanz im Ausland (Mitarbeiter, Büroräumlichkeiten, aktive Tätigkeit) und eine wirtschaftliche Begründung der Struktur Augenmerk zu legen ist.