Neues vom VwGH: Gesetzliche Einschränkung der ENAV iRd BBG 2011 tatsächlich in Kraft getreten
Mit seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 2019 (VwGH 18. Dezember 2019, Ro 2016/15/0041) entschied der VwGH nun einen jahrelang andauernden Rechtsstreit über die Möglichkeit zur Vergütung geleisteter Energieabgaben (ENAV). Er stellte klar, dass die Novellierung der ENAV iRd BBG 2011 und die damit einhergehende Einschränkung seit Februar 2011 wirksam in Kraft getreten ist. Dienstleister sind somit seit damals nicht mehr zur Geltendmachung von ENAV-Anträgen berechtigt.
Hintergrund
Mit Wirkung ab dem 1. Februar 2011 erfolgte im Rahmen des BBG 2011 eine Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe sowie – damit einhergehend – eine Verschlechterung der Berechnungsmethodik für Produktionsbetriebe. Nach der Inkrafttretensbestimmung des § 4 (7) EAVG wurde die Gesetzesänderung allerdings unter den Vorbehalt einer beihilfenrechtlichen „Genehmigung“ der Europäischen Kommission gestellt. Wie genau diese Genehmigung auszusehen hatte und ob sie tatsächlich korrekt eingeholt und die Gesetzesänderung somit tatsächlich in Kraft getreten ist, war Gegenstand jahrelanger Diskussionen im Schrifttum und eines langen Rechtsstreits.
Der österreichische Gesetzgeber sah die Einschränkung der ENAV iRd BBG 2011 durch die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) gedeckt. Daher wurde die gesetzliche Maßnahme der Kommission lediglich in Form einer sog. „Freistellungsanzeige“ kommuniziert und von dieser im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Eine formelle Anmeldung der Maßnahme bei der Kommission mit nachfolgender Genehmigung durch diese ist nicht erfolgt.
Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des VwGH hin (siehe unseren diesbezüglichen Newsletter vom 11. Dezember 2017) verneinte der EuGH vor Kurzem in der Rs Dilly II (EuGH 14. November 2019, C-585/17, Rs Dilly II) das Erfordernis einer Kommissionsgenehmigung der ENAV. Er qualifizierte sie als begünstigende Umweltbeihilfe, die nicht in einem förmlichen Genehmigungsverfahren von der Kommission zu genehmigen ist, und sprach der am 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen neuen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO (EU) Nr. 651/2014) sogar rückwirkende Anwendbarkeit zu. Offen blieb zuletzt, ob durch diese – vom EuGH letztlich beihilfenrechtlich als korrekt eingestufte – Vorgehensweise auch die gesetzliche Voraussetzung der „Genehmigung“ iSd § 4 (7) EAVG als erfüllt anzusehen ist.
Urteil des VwGH
Der Kern des Erkenntnisses des VwGH bezieht sich auf die Auslegung der Inkrafttretensregelung des § 4 (7) EAVG. Der VwGH verweist hierbei auf die Rechtsprechung des EuGH: Es wurde darauf hingewiesen, dass nach dem nunmehr vorliegenden Urteil in der Rs Dilly II feststeht, dass eine nationale Maßnahme, mit der eine Beilhilferegelung geändert wird, indem der Kreis der Empfänger dieser Beihilfe verkleinert wird, grundsätzlich der in Art 108 (3) AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegt (EuGH 14. November 2019, C-585/17, Rs Dilly II).
Nachdem einem Mitgliedstaat hierbei aber unterschiedliche Verfahrenswege zur Verfügung stehen (dh vereinfachtes Verfahren nach der Gruppenfreistellungsverordnung oder Anmeldung der Beihilfe bei der Kommission), führt der VwGH nun aus, dass wenn in § 4 (7) EAVG eine „Genehmigung“ gefordert wird, es sich hierbei wohl um eine „typische Erledigungsart“ handelt, welche der Gesetzgeber mit einer „‘untechnischen‘ (nicht den normativen Bezeichnungen des Unionsrechts entsprechenden Bezeichnung) Bezeichnung […] hervorgehoben hat, ohne aber andere mögliche Erledigungsarten auszuschließen“.
Da sich nach Auffassung des VwGH keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Inkrafttretens der Regelung im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens nach der Gruppenfreistellungsverordnung hätte ausschließen wollen, erachtet der VwGH die in der Gruppenfreistellungsverordnung vorgesehene Mitteilung durch die Kommission nebst der entsprechenden Veröffentlichung durch diese für Zwecke des § 4 (7) EAVG als ausreichend.
Fazit
Aus Sicht des VwGH ist der Wortlaut der Inkrafttretensbestimmung des § 4 (7) EAVG weit auszulegen. Entgegen der bisherigen Auffassung des BFG (BFG 3. August 2016, RV/5100360/2013; siehe unser diesbezüglicher Newsletter vom 6. Oktober 2016) gilt die darin eingeforderte „Genehmigung der Kommission“ auch dann als erfüllt, wenn die Novellierung der ENAV die Voraussetzungen der Gruppenfreistellungsverordnung erfüllt. Da dies – wie der EuGH in der Rs Dilly II kürzlich bestätigt hat – im vorliegenden Fall zutrifft, ist die Einschränkung der ENAV iRd BBG 2011 nun tatsächlich bereits mit 1. Februar 2011 in Kraft getreten. Es ist daher davon auszugehen, dass alle entsprechenden (offenen) ENAV-Verfahren durch die zuständigen Finanzämter in Kürze abgeschlossen werden und dabei seitens der Behörden von einem Inkrafttreten der Novellierung per Februar 2011 ausgegangen wird.
Autor: Sophie Schönhart