Verzinsung von Umsatzsteuerguthaben durch das Finanzamt
Ob ein Unternehmer Anspruch auf Verzugszinsen bei nicht ausgezahlten Vorsteuerüberschüssen und bei Umsatzsteuerguthaben aufgrund einer Minderung der Bemessungsgrundlage hat, ist derzeit Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des VwGH beim EuGH. In ihren Schlussanträgen bejahte Generalanwältin Kokott eine Verzinsungspflicht für Vorsteuerüberschüsse und Mehrwertsteuererstattungsansprüche, die aufgrund einer Minderung der Bemessungsgrundlage entstanden sind. Offen ist, wie der EuGH entscheidet und wie die konkreten Auswirkungen für Österreich sein werden.
Schlussanträge (C-844/19, technoRent International, SA vom 21. Jänner 2021)
Nach Ansicht der Generalanwältin Kokott ergibt sich aus Art 183 MwStSyst-RL (Erstattung bzw Vortrag des Vorsteuerüberschusses) in Verbindung mit dem Neutralitätsprinzip, dass der Steuerpflichtige bei nicht ausgezahlten Vorsteuerüberschüssen und bei Mehrwertsteuererstattungen aufgrund einer Minderung der Bemessungsgrundlage einen Anspruch auf Verzugszinsen hat. Der Anspruch kann jedoch nicht unmittelbar aus der MwStSyst-RL iVm dem Neutralitätsprinzip abgeleitet werden, weil die Regelungen nicht hinreichend genau und unbedingt sind und den Mitgliedstaaten einen inhaltlichen Umsetzungsspielraum erlauben. Generalanwältin Kokott verneinte auch eine analoge Anwendung des Art 27 der Erstattungsrichtlinie, um die Unionsrechtskonformität des österreichischen Rechts herbeizuführen. Es obliegt daher den nationalen österreichischen Gerichten bzw dem Gesetzgeber, einen unionsrechtskonformen Zustand durch unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts oder eine Gesetzesänderung herzustellen.
Auswirkungen auf Österreich
Bislang besteht für den Unternehmer kein Anspruch auf Verzugszinsen oder positiven Säumniszuschlägen im Fall von nicht ausgezahlten Vorsteuerüberschüssen oder Umsatzsteuerguthaben. Es bleibt abzuwarten, ob der EuGH den Ausführungen von Generalanwältin Kokott folgt und – wenn ja – welche Art von Verzinsung der VwGH für die Umsatzsteuer für angebracht hält. Gegebenenfalls sollte bereits jetzt bei größeren Ansprüchen aus zurück liegenden Jahren überlegt werden, ob vorsorglich Anträge auf Verzinsung gestellt werden sollten, um nicht eine Frist zu versäumen (auch wenn unklar ist, ob und in welcher Form eine Verzinsung kommen wird).