Update: „Missglückte“ Dreiecksgeschäfte – Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zum Vorabentscheidungsersuchen des VwGH zu Rechnungsangaben und Rechnungsberichtigung beim Dreiecksgeschäft
Wie bereits im Newsletter vom 21. Mai 2021 erwähnt, wandte sich der VwGH am 8. April 2021 im Zusammenhang mit der Rechnungsstellung des Erwerbers an den Empfänger im Dreiecksgeschäft mit folgenden Fragen an den EuGH:
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- Geht die Steuerschuld auf den Empfänger auch dann über, wenn sich in der Rechnung kein Hinweis auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft findet?
- Im Fall der Verneinung der ersten Frage, kann die Rechnung durch die Aufnahme eines Hinweises auf den Übergang der Steuerschuld wirksam berichtigt werden?
- Ist es für eine wirksame Berichtigung erforderlich, dass die berichtigte Rechnung dem Empfänger zugeht?
- Wirkt die Berichtigung rückwirkend auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurück?
- Richtet sich die Rechnungsausstellung des Erwerbers nach den Vorschriften seines Sitzstaates oder nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt?
Schlussanträge der Generalanwältin vom 14. Juli 2022
Aufgrund der bisherigen sogenannten „Substance over form“-Rechtsprechung des EuGH, die sich bislang auf den Vorsteuerabzug und die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen erstreckt, wäre es denkbar, dass rein formelle Unregelmäßigkeiten die Anwendung der Vereinfachungsregelung von Dreiecksgeschäften nicht hindern bzw. rückwirkend sanierbar sind.
Ausführungen zur Rechnung mit Hinweis auf die Steuerschuldverlagerung als Voraussetzung für die Anwendung der Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte
Generalanwältin Kokott betont aber, dass es beim fehlenden Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld auf den Empfänger im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts weniger darum gehe, ob es sich um eine materielle oder bloß formelle Voraussetzung handelt, sondern vielmehr, welcher Zweck der Richtliniengeber mit der Regelung verfolge.
Zweck des Sonderregimes für das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft sei die Vereinfachung für die involvierten Parteien, insbesondere:
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- keine Registrierungspflicht des Erwerbers im Bestimmungsland, und
- keine weitere Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs durch den Erwerber im Mitgliedstaat, dessen UID verwendet wird, aufgrund der Nutzung dieser UID durch den Erwerber.
Beide Vereinfachungen würden allerdings voraussetzen, dass die Steuerschuld auf den Empfänger übergeht, indem der Erwerber sein Wahlrecht ausübe und in der Rechnung auf die Steuerschuldverlagerung hinweise. Sinn und Zweck der Rechnung sei daher auch, den Rechnungsadressaten zu informieren, dass er die Umsatzsteuer schulde. Ohne eine solche Information bestünde das erhöhte Risiko, dass die Umsatzsteuer von niemanden abgeführt werde.
Nach Ansicht der Generalanwältin sei daher der Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld zwingend notwendig und auch nicht unverhältnismäßig, um die Vereinfachungsregelung zum Dreiecksgeschäft anwenden zu können.
Ausführungen zur rückwirkenden Rechnungserteilung bei einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft
Nach Ansicht der Generalanwältin handele es sich bei Berichtigung der ursprünglichen Rechnung um keine tatsächliche Rechnungsberichtigung, sondern um eine (erstmalige) Rechnungsausstellung, die die Tatbestandsvoraussetzungen erfülle, sodass die „berichtigte“ Rechnung keine Rückwirkung entfalten könne. Sie wirke lediglich ex nunc und müsse dem Empfänger zugehen, damit der Informationszweck erfüllt werden könne.
Ausführungen zum Inhalt der Berichtigung und den maßgeblichen nationalen Rechnungsvorschriften
Für die Generalanwältin stelle sich die Frage, welche nationalen Rechtsvorschriften maßgeblich sind, gar nicht, da mangels ordnungsgemäßer Rechnung kein Dreiecksgeschäft vorliege und sich diese Frage nur stellen würde, wenn eine Rechnung noch rückwirkend erstellt werden könne, was aber nicht der Fall wäre.
Im Großen und Ganzen nimmt die Generalanwältin eine relativ strenge Auslegungsposition ein, die wohl damit begründet ist, dass die Vereinfachungsregelung zum Dreiecksgeschäft ein Wahlrecht des Erwerbers ist.
Ob sich der EuGH dieser Ansicht anschließt, bleibt abzuwarten.