EuGH: Keine Steuerschuld kraft Rechnung bei Leistungen an Endverbraucher
Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 2022, Rs C-378/21, P GmbH, eine Steuerschuld kraft Rechnung verneint, wenn Leistungsempfänger Endverbraucher sind. Mangels Steuerschuld kraft Rechnung ist wohl auch eine Berichtigung der Rechnung nicht erforderlich, um die auf Basis eines zu hohen Umsatzsteuersatzes in Rechnung gestellte Umsatzsteuer (mit Wirkung ex nunc) zu berichtigen. Der Entscheidung lag folgender österreichischer Fall zugrunde.
Sachverhalt
Die P GmbH („P“) betrieb einen Indoorspielplatz. Ihre Leistungen wurden daher laut Sachverhalt ausschließlich an Endverbraucher, insbesondere Familien mit Kindern, erbracht. Irrtümlich stellte die P einen zu hohen Umsatzsteuersatz von 20% in Rechnung. Tatsächlich wären die Leistungen der P einem ermäßigten Steuersatz von 13% unterlägen.
Strittig war, ob in einem solchen Fall, wenn es sich bei den Kunden ausschließlich um nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher handelt und daher keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegen kann, eine Steuerschuld kraft Rechnung überhaupt entsteht.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH beantwortet die Frage nach der Entstehung der Steuerschuld unter der Prämisse, dass es sich bei den Leistungsempfängern ausschließlich um nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher handelt.
Aufbauend auf dieser Prämisse verneint der EuGH die Entstehung einer Steuerschuld kraft Rechnung gerade mit der Begründung, dass im vorliegenden Fall die Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist, weil die Kunden der P im betreffenden Steuerjahr ausschließlich Endverbraucher gewesen sind, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren. In einem solchen Fall sei Art 203 MWSt-RL, der die Steuerschuld kraft Rechnung regelt, nicht anwendbar.
Praktische Auswirkungen
Die Entscheidung des EuGH ist für betroffene Unternehmen sehr relevant: wurden Leistungen ausschließlich an Endverbraucher erbracht (und ist somit eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen), entsteht trotz Inrechnungstellung eines zu hohen Steuersatzes keine Steuerschuld für den – sich bei Anwendung des richtigen Steuersatzes ergebenden Steuerbetrages – übersteigenden Steuerbetrag. Gerade bei der Vielzahl an Umsätzen im Geschäft mit Endverbrauchern, die eine Berichtigung der Rechnung oft faktisch unmöglich macht, besteht damit für das Unternehmen nun die Möglichkeit, eine zu viel bezahlte Umsatzsteuer ohne Berichtigung der hierüber ausgestellten Rechnungen zu erlangen. Eine Korrektur der Umsatzsteuerschuld wäre mangels Entstehung der Steuerschuld mit Wirkung ex tunc möglich (anders als im Fall einer Rechnungsberichtigung, die ex nunc wirken würde).
Dies wird aber vermutlich nur dann gelten, wenn die Inrechnungstellung des zu hohen Steuersatzes gutgläubig erfolgt ist (siehe dazu auch die Ausführungen der Generalanwältin in den Schlussanträgen zur Möglichkeit der Rechnungsberichtigung für gutgläubige Unternehmer, Rn 49ff).
Hinzuweisen ist außerdem darauf, dass im Geschäft mit Endverbrauchern in der Praxis oftmals Bruttopreisvereinbarungen bestehen, sodass selbst eine Berichtigung der Rechnung für den Endverbraucher nicht zu einer entsprechenden Rückzahlung aus der Berichtigung der zu hohen Umsatzsteuerschuld führen würde.
Offen bleibt freilich, wie der EuGH in einem vergleichbaren Fall entscheiden würde, in denen einerseits keine Bruttopreisvereinbarung bestehen würde und andererseits eine Berichtigung der Rechnung auch tatsächlich noch möglich wäre. Offen ist auch, wie in Fällen vorzugehen ist, bei denen Leistungen sowohl an Unternehmer als auch an Nichtunternehmer erbracht werden. Die Generalanwältin hatte hier eine Aufteilung im Schätzungswege vorgeschlagen, der EuGH ist auf diesen Punkt aber nicht eingegangen.
Die Folgeentscheidung des BFG bleibt abzuwarten.
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