Das portugiesische Wegzugsbesteuerungsregime auf dem Prüfstand – EuGH in der Rs Kommission vs. Portugal
In einem aktuellen Urteil zur betrieblichen Wegzugsbesteuerung (6. September 2012, Rs C-38/10) hat der EuGH an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten: Danach widerspricht die sofortige Besteuerung der im wegziehenden Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven der Niederlassungsfreiheit.
Sachverhalt
Die portugiesischen Wegzugsbesteuerungsvorschriften sehen vor: Verlegt eine portugiesische Gesellschaft ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat, werden die im Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven sofort besteuert. Gleiches gilt auch, wenn Wirtschaftsgüter zwischen einem ausländischen Stammhaus und einer portugiesischen Betriebsstätte überführt werden.
Entscheidung des EuGH
Die sofortige Einhebung der Wegzugssteuer ist nach Ansicht des EuGH unverhältnismäßig – sowohl im Falle der Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung bzw. des Sitzes einer Gesellschaft als auch im Falle der Verlegung von einzelnen Wirtschaftsgütern. Die Mitgliedstaaten sind somit im Rahmen ihrer Wegzugsbesteuerungsregimes verpflichtet, dem Steuerpflichtigen die Wahl zwischen der sofortigen Zahlung des Steuerbetrages und der Aufschiebung der Zahlung zu lassen.
Wie auch schon in der Rechtssache NGI (29. November 2011, Rs C-371/10) sprach sich der EuGH im Zusammenhang mit dem betrieblichen Steueraufschub erneut für die Zulässigkeit von Stundungszinsen aus (insoweit nicht diskriminierend). Dass der Steueraufschub von der Beistellung einer Bankgarantie abhängig gemacht werden darf, wurde hingegen, anders als in der Rs NGI, im vorliegenden Fall vom EuGH nicht mehr erwähnt.
Eine etwaige Verpflichtung des Zuzugsstaates, das zuziehende Vermögen zu Verkehrswerten anzusetzen, wurde vom EuGH ebenfalls nicht kommentiert.
Implikationen für Österreich
Das vorliegende Urteil bestätigt die generelle Gültigkeit der im Rahmen der Rs NGI vom EuGH aufgestellten Grundsätze zur betrieblichen Wegzugsbesteuerung.
Aus dem ergangenen Urteil lässt sich weiters schließen, dass die österreichischen Wegzugsbesteuerungsvorschriften des § 6 Z 6 EStG im Wesentlichen unionsrechtskonform sind. Lediglich die sofortige Nachversteuerung von Herstellungskosten im Zusammenhang mit unentgeltlich erworbenen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, für die im Ausland ein Aktivposten angesetzt wird, erscheint – aufgrund der fehlenden Bezugnahme auf eine steuerwirksame Abschreibung im Zuzugsstaat – weiter unionsrechtlich problematisch.
Da der EuGH in seinem Urteil erneut die Zulässigkeit von Stundungszinsen erwähnt, bleibt darüber hinaus abzuwarten, wie der österreichische Gesetzgeber diesen Hinweis interpretiert und ob er diese Aussage zum Anlass nimmt, gestundete Wegzugssteuerbeträge zukünftig zu verzinsen.
Autor: Nikolaus Neubauer