VfGH: Abzugsverbot für Anschaffungsnebenkosten nicht verfassungswidrig
Der Verfassungsgerichtshof bejaht mit Erkenntnis vom 14. Juni 2017 (G 336/2016-11) die Verfassungskonformität des Abzugsverbotes für Anschaffungsnebenkosten von im Privatvermögen angeschaffter Wirtschaftsgüter oder Derivate, wenn auf deren Erträge der besondere Steuersatz anwendbar ist.
Abzugsverbot widerspricht laut BFG dem Gleichheitssatz
Im Herbst 2016 stellte das BFG beim VfGH den Antrag, § 27a Abs 4 Z 2 EStG aufgrund des Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben (wir haben berichtet). Nach Ansicht des BFG bewirke das Abzugsverbot für Anschaffungsnebenkosten eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips und des objektiven Nettoprinzips, welche einer besonderen sachlichen Rechtfertigung bedürfe. Das BFG vermag dies in der Missbrauchs- und Umgehungsvermeidung nicht zu erkennen. Zudem sei damit auch eine Besteuerung von Einkünften möglich, obwohl faktisch ein Verlust erzielt wurde. Auch die Einschränkung des Abzugsverbots auf den außerbetrieblichen Bereich sei nicht nachvollziehbar, da das Abzugsverbot für Werbungskosten für beide Bereiche gelte und bloße Praktikabilitätsüberlegungen (Gleichklang der steuerrechtlichen und unternehmensrechtlichen Bilanz) diese unterschiedliche Behandlung nicht zu rechtfertigen vermögen.
Systembedingte Schieflage und Umgehungsgefahr im privaten Bereich
Im Zuge des Verfahrens vor dem VfGH hat die Bundesregierung umfassend Stellung genommen: Die Nichtabzugsfähigkeit der Anschaffungsnebenkosten stützt sie, aufgrund der ihrer Ansicht nach wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von Werbungskosten und Anschaffungsnebenkosten, hauptsächlich auf die Anwendung des Endbesteuerungsgesetzes (§ 2 Abs 1 EBG). Ein singuläres Abzugsverbot für Werbungskosten führe zu einer systembedingten Schieflage, da die Möglichkeit Anschaffungsnebenkosten anzusetzen zur Umgehung des Abzugsverbotes durch anschaffungsbezogene Aufwendungen verleiten könnte (z.B. durch höhere Gebühren beim Kauf und Verkauf anstatt einer fixen Depotgebühr).
Da die Umgehungsgefahr aufgrund der speziellen Funktion von Kapitalanlagen im betrieblichen Bereich nach Ansicht der Bundesregierung eher gering sei (Anschaffungen insbesondere aus Gründen der Liquidität und Absicherung und damit geringe Rolle der steuerlichen Aspekte) und der Harmonisierung des Steuerrechts mit dem Unternehmensrecht Vorrang eingeräumt werde, sei die unterschiedliche Behandlung der Anschaffungsnebenkosten im außerbetrieblichen und betrieblichen Bereich sachlich gerechtfertigt. Sollte der VfGH die sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung nicht teilen, schlägt die Bundesregierung vor, das Abzugsverbot der Anschaffungsnebenkosten auch auf den betrieblichen Bereich auszuweiten, anstatt den Abzug von Anschaffungsnebenkosten auch im privaten Bereich zuzulassen.
Erstreckung des Abzugsverbots auf Nebenkosten
In seiner Entscheidung folgt der VfGH den Ausführungen der Bundesregierung und stützt seine Entscheidung auf § 2 Abs 1 EBG und die Argumentation, dass bei Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen Werbungskosten in erster Linie jene Aufwendungen sind, die im Zusammenhang mit dem Realisierungsakt (Veräußerung) stehen. Dieselben Aufwendungen würden auch beim Anschaffungsvorgang anfallen und seien daher wirtschaftlich gleichwertig.
Diese wirtschaftliche Gleichwertigkeit rechtfertige die Ergänzung des Abzugsverbots für Werbungskosten im Zusammenhang mit der Veräußerung um eine Regelung, die den Ansatz solcher Aufwendungen als Anschaffungsnebenkosten ausschließt. Der Erstreckung des im Endbesteuerungsgesetz verankerten Abzugsverbots auf § 27a Abs 4 Z 2 EStG stünden damit keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber.
Unterschied zwischen Anschaffungsnebenkosten und Werbungskosten
In seiner Begründung setzt der VfGH die Anschaffungsnebenkosten (wie Handelsgebühren („trading fees“) und Vertragserrichtungskosten) den Verkaufsspesen (wie Kommissionsgebühren, (Teil-) Ausführungs- und Handelsgebühren) gleich, welche nach dem VfGH laut Literatur nicht abzugsfähige Werbungskosten darstellen sollen. Tatsächlich spricht die zitierte Literatur in diesem Zusammenhang jedoch von generellen Kosten (Bankspesen, Depotgebühren und Finanzierungszinsen) und nicht von Kosten, die unmittelbar mit der Transaktion zusammenhängen. Der VfGH vermischt damit den Begriff der Werbungskosten mit den (Anschaffungs- bzw. Verkaufs-)Nebenkosten. Werbungskosten (§ 16 Abs 1 EStG) sind Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen, während Anschaffungsnebenkosten mit der Anschaffung in einem unmittelbaren (zeitlichen und kausalen) Zusammenhang stehen (siehe u.a. EStR 791).
Durch die Feststellung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit verkennt der VfGH, dass es einen Unterschied zwischen Anschaffungsnebenkosten und Werbungskosten gibt, der auch in der Literatur aufgezeigt wird. Die Frage, ob die Ungleichbehandlung von Anschaffungsnebenkosten im betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich dem Gleichheitsgebot widerspricht, lässt der VfGH damit unbeantwortet. Folgt man den Ausführungen des VfGH, stellt sich in weiterer Folge außerdem die Frage, ob das Abzugsverbot dann nicht auch im betrieblichen Bereich greifen müsste.
Weder für die Banken noch für die Steuerpflichtigen kommt es aufgrund der VfGH-Entscheidung zu Änderungen. Die Banken haben nach wie vor die Anschaffungskosten des Kapitalvermögens evident zu halten, um den KESt-Abzug auch bei Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen durchführen zu können. Aufgrund der „Privatvermögensvermutung“ bei Kapitalanlagen haben die Banken bisher grundsätzlich keine Nebenkosten bei den Anschaffungskosten berücksichtigt. Im betrieblichen Bereich, wo das Abzugsverbot nicht gilt, können die Anschaffungsnebenkosten wie bisher nur im Zuge einer Veranlagung berücksichtigt werden.
Autorin: Nikola Breinhölder