EuGH bejaht Vorsteuerabzug und verneint Eigenverbrauch iZm der Errichtung einer öffentlichen Straße durch einen Unternehmer
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschied in der Rechtssache C-528/19 Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG, dass einem Unternehmer der Vorsteuerabzug zusteht, wenn er aufgrund einer Vereinbarung mit einer Gemeinde Baumaßnahmen an einer Gemeindestraße, die für seine wirtschaftliche Tätigkeit (konkret: ein Steinbruch) notwendig sind, vornehmen lässt. Zusätzlich legte der EuGH fest, dass kein steuerbarer Tauschvorgang bei der Genehmigung für den Betrieb des Kalksteinbruches und der Übertragung des Ausbaus der Gemeindestraße vorliegt. Der EuGH judizierte auch, dass die unentgeltliche Übertragung der Gemeindestraße an die Gemeinde keiner Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist und daher keine Eigenverbrauchsbesteuerung auslöst.
Sachverhalt
Die A-GmbH erhielt die Genehmigung zum Betrieb eines Kalksteinbruches unter der Auflage der Erschließung einer öffentlichen Gemeindestraße. Die Genehmigung zum Betrieb des Kalksteinbruches wäre erloschen, wenn die A-GmbH den Ausbau der Gemeindestraße nicht bis Ende 2006 fertiggestellt hätte. Die A-GmbH vereinbarte mit der Gemeinde, dass die Gemeinde die Planung der Straße übernimmt sowie die öffentlich-rechtliche Widmung sicherstellt, und die A-GmbH das uneingeschränkte Nutzungsrecht an der Gemeindestraße erhält. Die A-GmbH trug sämtliche Kosten im Zusammenhang mit dem Ausbau der Straße. Die A-GmbH machte den Vorsteuerabzug für die Eingangsleistungen des Ausbaus geltend.
EuGH-Verfahren (C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG, Urteil vom 16. September 2020)
Nach Ansicht des EuGH kann die A-GmbH den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den Eingangsleistungen geltend machen, weil der Ausbau der Gemeindestraße unerlässlich für die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit der A-GmbH ist und die Kosten der erhaltenen Eingangsleistungen bei der Kalkulation der Preise der steuerpflichtigen Ausgangsumsätze der A-GmbH berücksichtigt werden. Ohne den Ausbau der Gemeindestraße wäre der Betrieb des Kalksteinbruches weder praktisch noch rechtlich möglich. Der EuGH verneinte einen steuerbaren Tauschvorgang bei der Genehmigung für den Betrieb des Kalksteinbruches einerseits und der Übertragung des Ausbaus der Gemeindestraße andererseits, weil es sich bei der Erteilung der Genehmigung um einen nicht steuerbaren einseitigen Hoheitsakt handelt.
Nach Ansicht des EuGH löst die unentgeltliche Übertragung des Ausbaus der Gemeindestraße an die Gemeinde keine Eigenverbrauchsbesteuerung für die A-GmbH aus, weil der Ausbau in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit der A-GmbH steht.
Auswirkungen auf Österreich
Mit den Ausführungen zur Eigenverbrauchsbesteuerung widerspricht der EuGH der bisherigen österreichischen Rechtsansicht, die bei der Übertragung der Bauleistungen auf einen öffentlichen Rechtsträger als Grundstückseigentümer zur Eigenverbrauchsbesteuerung gem § 1 Abs 1 Z 2 lit a UStG führt (VwGH 27.6.2019, Ra 2019/15/0023; 25.7.2013, 2011/15/0055, UStR 2000 Rz 277).