ENAV: Erneute Befassung des EuGH
Als sich der VwGH am 14. September 2017 (Ro 2016/15/0041 und Ro 2017/15/0019) im Rahmen eines Vorlageantrages mit drei Fragen zur Auslegung des Unionsrechts an den EuGH richtete, erreichte ein seit nunmehr nahezu sechs Jahren andauernder Rechtsstreit über die Möglichkeit zur Vergütung geleisteter Energieabgaben (ENAV) für Dienstleistungsunternehmen seinen vorläufigen Höhepunkt. Geklärt werden soll nun endgültig, ob und inwieweit Dienstleister zur Geltendmachung von ENAV-Anträgen berechtigt sind. Damit einher geht auch die Frage der konkreten Berechnungsmodalität, welche insbesondere für Produktionsunternehmen von entscheidender Relevanz sein kann.
Hintergrund
Im Rahmen des BBG 2011 erfolgte eine Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe, welche – gemäß des Wortlautes des § 4 Abs 7 ENAVG (Inkrafttretensbestimmung) – vorbehaltlich der Genehmigung der Europäischen Kommission Anwendung finden soll. Die Unionsrechtskonformität der Einschränkung war in den vergangenen Jahren – insbesondere aufgrund beihilferechtlicher Aspekte – heftig umstritten. Zuletzt entschied das BFG Linz, dass die Novelle aus 2011 bis dato noch nicht in Kraft getreten ist (siehe unsere diesbezüglichen Newsletter vom 15.12.2016 und 6.10.2016).
Vorabentscheidungsersuchen des VwGH
Da die beihilferechtliche Einstufung der Reform der ENAV iRd BBG 2011 für den nunmehr zur Sachentscheidung berufenen VwGH nicht offenkundig erschien, legte er dem EuGH drei Fragen zur Vorabentscheidung vor:
- Zum einen möchte der VwGH wissen, ob die teilweise Nichtnutzung eines bereits in der Vergangenheit genehmigten Beihilferegimes (ENAV) eine anmeldepflichtige Umgestaltung darstellt. Implizit geht der VwGH somit davon aus, dass es sich bei der bis zum 31. Dezember 2010 in Geltung stehenden „Alt“-Regelung um eine genehmigte staatliche Beihilfe handelt und hält es für möglich, dass die Einschränkungen der ENAV iRd BBG 2011 lediglich als (erlaubte) teilweise Nichtnutzung der bereits gewährten Beihilfebefugnis verstanden werden könnte.
- Damit eng im Zusammenhang stehend zielt die zweite Frage darauf ab, zu eruieren, ob das allgemeine beihilferechtliche Durchführungsverbot die Einschränkungen der ENAV iRd BBG 2011 unanwendbar macht und so im Ergebnis in ein „Durchführungsgebot“ resultiert.
- Darüber hinaus möchte der VwGH wissen, ob das österreichische ENAVG die Voraussetzungen der am 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen neuen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO (EU) Nr. 651/2014) erfüllt und ob die dort enthaltenen Übergangsbestimmungen eine bis auf das Jahr 2010 rückwirkende Freistellung der strittigen ENAV-Reform von der Anmeldepflicht rechtfertigen können.
Implikationen
Die im Zusammenhang mit dem vorliegenden Thema strittige Frage ist jene, wie die Inkrafttretensbestimmung des § 4 Abs 7 ENAVG zu verstehen ist. Die Fragen des VwGH an den EuGH legen ein Verständnis nahe, wonach (trotz fehlender expliziter Genehmigung durch die Kommission) die Neuregelungen des Jahres 2011 in Kraft getreten sind, insofern die Vorgehensweise aus beihilferechtlicher Sicht als unbedenklich eingestuft werden kann.
Wird eine der Fragen von Seiten des EuGH bejaht, ist wohl davon auszugehen, dass gem. VwGH die iRd BBG 2011 vorgenommenen ENAV-Einschränkungen – weil unionsrechtskonform – ab 2011 tatsächlich in Kraft getreten sind und Dienstleistungsunternehmen seither keinen Anspruch mehr auf eine Geltendmachung der ENAV hätten. Dieser Ansatz würde der bisherigen BFG-Judikatur widersprechen.
Empfehlung
Aufgrund der nochmaligen Vorlage der ENAV beim EuGH ist mit einer Klärung der strittigen Rechtsfrage nicht vor Ende 2018 zu rechnen. Um trotzdem die Verjährungsfrist von fünf Jahren zu wahren, wird bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage jedenfalls empfohlen, ENAV-Anträge für Dienstleistungsunternehmen und Produktionsunternehmen (dort wo Berechnung auf Basis Rechtslage vor dem BBG 2011 vorteilhaft) bei der Behörde einzubringen. Für das Jahr 2012 ist das noch bis Ende 2017 möglich!
Autorin: Christiane Zöhrer