„Pillar One – Amount B“– Ein Update
Am 19. Februar 2024 wurde im Rahmen des BEPS 2.0 Projekts ein vorläufiger Bericht zu Pillar One – Amount B (Launch Version) als Reaktion auf die öffentlichen Konsultationspapiere (Dezember 2021 & Juli 2023) veröffentlicht. Der finale Bericht, dh inklusive der noch ausstehenden Abschlussarbeiten, war ursprünglich für Ende März 2024 vorgesehen und soll in die OECD-Verrechnungspreisleitlinien aufgenommen werden.
Wie in unserem Newsletter vom 4. September 2023 bereits ausgeführt, liegen die erklärten Ziele von Amount B in der Vereinfachung der Anwendung von Verrechnungspreisregelungen, bei gleichzeitiger Erhöhung der Steuersicherheit und Verringerung von Auseinandersetzungen zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltungen für Baseline Marketing- und Vertriebsaktivitäten („baseline marketing and distribution activities“). Mittels einer standardisierten Vergütung soll eine Annäherung an die unter Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes erzielten Ergebnisse erfolgen, wobei Faktoren wie beispielsweise die jeweilige Branche Berücksichtigung finden sollen.
Dieser Beitrag fasst die wesentlichsten Punkte zusammen und gibt einen Ausblick auf die noch zu erwartenden Ergänzungen.
Umsetzung
Amount B soll als Anhang zu Kapitel IV in die OECD-Verrechnungspreisleitlinien aufgenommen werden. Zudem ist eine entsprechende Änderung des Kommentars zu Artikel 25 des OECD-Musterabkommens vorgesehen.
Der Bericht stellt klar, dass die Anwendung von Amount B für Inclusive Framework-Staaten nicht zwingend einzuführen ist. Sofern ein Mitgliedstaat entscheidet Amount B umzusetzen, kann dieser festlegen, ob Amount B bei Erfüllung der Anwendungsvoraussetzungen für Steuerpflichtige verpflichtend ist oder ob den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht gewährt wird, zu Amount B zu optieren.
Kritisch ist in diesem Zusammenhang zu sehen, dass ein in einem Land nach Amount B ermitteltes Fremdvergleichsergebnis nicht für das Land des Transaktionspartners bindend ist. Wenn dieser Ansatz von sogenannten „low-capacity jurisdictions“ angewandt wird, verpflichten sich die Inclusive Framework-Staaten jedoch, das nach Amount B ermittelte Ergebnis zu respektieren, und angemessene Schritte zu setzen, um eine potenzielle Doppelbesteuerung mit DBA-Partnerstaaten zu vermeiden.
Der Bericht sieht vor, dass Amount B für Wirtschaftsjahre, die ab oder nach dem 1. Jänner 2025 beginnen, umgesetzt werden kann.
Anwendungsbereich
Im Gegensatz zu Amount A ist Amount B nicht an eine bestimmte Umsatzgrenze gebunden und kommt daher für eine Vielzahl von Unternehmen in Betracht. Unter den Anwendungsbereich fallen folgende Aktivitäten:
- Marketing- und Vertriebstransaktionen in Bezug auf Großhandelsvertrieb („wholesale“) an fremde Dritte, bei denen die Vertriebsgesellschaft Waren von einem oder mehreren verbundenen Unternehmen erwirbt.
- Handelsvertreter- und Kommissionärstransaktionen, bei denen der Handelsvertreter oder Kommissionär zum Großhandelsvertrieb von Waren an fremde Dritte eines oder mehrerer verbundener Unternehmen beiträgt.
Hinsichtlich des Anwendungsbereichs von Amount B gibt es folgende wesentliche Anwendungsvoraussetzungen:
- Die Vertriebstätigkeit muss mithilfe einer einseitigen Verrechnungspreismethode klar abgrenz- und beurteilbar sein.
- Die der Vertriebstätigkeit zugrunde liegenden betrieblichen Aufwendungen dürfen nicht unter 3% bzw. nicht über 20-30% der Umsatzerlöse aus der Vertriebstätigkeit liegen (quantitatives Kriterium).
Transaktionen, welche die obenstehenden Kriterien erfüllen, sind jedoch von Amount B ausgeschlossen, sofern:
- die Transaktion den Vertrieb von immateriellen Gütern, Dienstleistungen oder das Marketing bzw. den Handel mit oder Vertrieb von Rohstoffen umfasst;
- das Unternehmen zusätzlich zur Vertriebstätigkeit eine weitere Aktivität ausführt, sofern diese nicht separat bewertet und bepreist werden kann.
Unternehmen, die sowohl im Groß- als auch im Einzelhandelsvertrieb tätig sind, fallen in den Anwendungsbereich von Amount B, sofern die Einzelhandelstätigkeit max. 20% beträgt.
Im Vergleich zum Konsultationspapier vom Juli 2023 wurden die Einschränkungen von „digital goods“ auf immaterielle Güter („non-tangible goods“) abgeändert.
Darüber hinaus erfolgte eine Anpassung der Grenze des quantitativen Kriteriums, welche ursprünglich bei 30% („Alternative A“) bzw. 50% („Alternative B“) lag. Die Obergrenze kann nun von jedem Staat individuell zwischen 20%-30% festgelegt werden. Durch unterschiedliche Festlegung von Obergrenzen können sich in der Anwendung von Amount B weitere Konfliktpotentiale ergeben.
Preisbildung
Wie ursprünglich vorgesehen, soll die Ermittlung der fremdüblichen Marge für die Amount B unterliegenden Aktivitäten in weitgehend mechanischer Weise unter Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode mit dem Profitabilitätsindikator Umsatzrendite („return on sales“) über eine Preismatrix vorgenommen werden. Diese basiert auf einer Zuordnung zu einer von drei Branchen („industry groupings“) und unter Berücksichtigung der factor intensity, dh unterschiedlicher Ausprägung der Parameter „net operating asset intensity“ (OAS) und „operating expense intensity“ (OES). Die Grundlage der Preismatrix bildet eine globale Datenbankstudie.
Die Umsatzrenditen liegen weiterhin zwischen 1,5% und 5,5%. Im Vergleich zum Konsultationspapier aus Juli 2023 ergeben sich jedoch innerhalb der Preismatrix einige Änderungen betreffend der Umsatzrenditen. Neu ist auch, dass nun eine gewichtete Umsatzrendite zu ermitteln ist, sofern die unter Amount B fallenden Aktivitäten mehr als einer industry grouping zugeordnet werden können (Schwellenwert von 20%).
Eine weitere Änderung beinhaltet die Einführung einer Verprobung anhand der betrieblichen Aufwendungen („operating expense cross-check“), die anstelle einer Berechnung auf Basis einer Berry Ratio als weiterer Kontrollmechanismus eingeführt wurde. Hierbei wird die Umsatzrendite der Baseline Marketing- und Vertriebsaktivitäten angepasst, falls die Rendite auf die betrieblichen Aufwendungen („return on operating expenses“) außerhalb einer bestimmten Bandbreite liegt. Die Anpassung erfolgt so lange bis die jeweilige Unter- bzw Obergrenze erreicht wird. Für bestimmte Jurisdiktionen („qualifying jurisdictions“) wurden höhere Grenzwerte festgesetzt.
Die Möglichkeit, eine Preismatrix basierend auf lokalen Vergleichsdaten zu veröffentlichen, um geographischen Besonderheiten Rechnung zu tragen, wurde im Bericht gänzlich gestrichen.
Für qualifying jurisdictions, die in der globalen Datenbankstudie unzureichend repräsentiert sind, ist weiterhin eine Anpassung der Umsatzrenditen (formelhafter Länderrisikozuschlag) vorgesehen.
Dokumentation
Das Kapitel zu den Dokumentationsanforderungen stimmt weitgehend mit dem Konsultationspapier überein. Demnach sollen Steuerpflichtige in ihren Local Files die Anwendbarkeit von Amount B mit unterstützenden Informationen begründen und bei erstmaliger Anwendung von Amount B eine Zusage aufnehmen, diese Vorgangsweise grundsätzlich für 3 Jahre beizubehalten.
Rechtssicherheit und Beseitigung von Doppelbesteuerungen
Im Vergleich zum Konsultationspapier wurde detaillierter auf die Beseitigung von Doppelbesteuerung eingegangen. Nachdem aber auf Amount B grundsätzlich nicht verwiesen werden kann, wenn ein Staat Amount B nicht umgesetzt hat, ist der Beitrag zur Rechtssicherheit und effizienten Beseitigung von Doppelbesteuerungen ungewiss.
Anhang
Neu ist auch, dass ein Anhang mit Beispielen, die die Anwendung von Amount B veranschaulichen sollen, aufgenommen wurde.
Ausstehende Abschlussarbeiten
Der am 19. Februar 2024 veröffentlichte Bericht lässt noch einige Punkte offen, die den noch anstehenden Abschlussarbeiten vorbehalten sind. Diese umfassen insbesondere:
- Ausarbeitung von qualitativen Kriterien, die von den Mitgliedstaaten optional aufgenommen werden können.
- Auflistung der Länder, die als low-capacity-jurisdictions qualifizieren.
- Kriterien für bzw eine Auflistung der qualifying jurisdictions.
- Überarbeitung der Kommentierung zum Musterabkommen Artikel 25.
Fazit
Grundsätzlich könnte „Amount B“ eine attraktive Option für Unternehmen darstellen, Unsicherheiten hinsichtlich der fremdüblichen Vergütung von Vertriebsaktivitäten künftig zu reduzieren. Die Erreichung der angestrebten Vereinfachung sowie der effektiven Verringerung von Verrechnungspreiskonflikten betreffend die Bepreisung von Baseline Marketing- und Vertriebsaktivitäten hängt letztlich von einer homogenen Umsetzung der einzelnen Inclusive Framework-Staaten ab. In Anbetracht der Vielzahl an Optionen, die den Inclusive Framework-Staaten eingeräumt werden, erscheint die tatsächliche Vereinfachung jedoch fraglich. Auch für Gesellschaften, die Aktivitäten ausüben, welche über die reinen Baseline Marketing- und Vertriebsaktivitäten hinausgehen, ergeben sich aus Amount B erhöhte Anforderungen an die Datenqualität aufgrund der erforderlichen Segmentierung der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die erklärten Ziele von Amount B künftig verwirklichen werden.
Verfasst von: Florian Egner
Dieser Artikel wurde am 30. April 2024 geringfügig adaptiert.