„Pillar One – Amount B“ – Veröffentlichung der Länderlisten vor der Umsetzung
Am 19. Februar 2024 wurde im Rahmen des BEPS 2.0-Projekts der Bericht zu Pillar One – Amount B („Bericht zu Amount B“ oder der „Bericht“) veröffentlicht und als Anhang in Kapitel IV der OECD-Verrechnungspreisleitlinien aufgenommen (weitere Informationen finden Sie in unserem Newsletter vom 1. März 2024). Anschließend wurden im Juni 2024 zwei Ergänzungen zum Bericht veröffentlicht. Dabei handelt es sich um Ergänzungen mit drei Länderlisten, die für die Umsetzung von Amount B relevant sind.
In der im Februar 2024 veröffentlichten Launchversion des Berichts zu Amount B hieß es, dass bis zum 31. März 2024 Abschlußarbeiten erfolgen würden. Diese Abschlußarbeiten sollten u.a. die Definition der Länder umfassen, die von dem Political Commitment zu Amount B abgedeckt sind (ursprünglich als „low-capacity jurisdictions“ bezeichnet), sowie die Definitionen der „qualifying jurisdictions“ im Sinne der Abs. 5.2 und 5.3 des Berichts. Diese drei Länderlisten wurden nun im Juni 2024 veröffentlicht.
In einer auffälligen Änderung der Terminologie gegenüber dem Bericht werden „low-capacity jurisdictions“ nun mit dem neutralen Begriff „covered jurisdictions“ bezeichnet, nachdem das Political Commitment auf bestimmte OECD- und G20-Mitglieder mit niedrigem und mittlerem Einkommen ausgeweitet wurde. Weitere Informationen zu diesen Listen und den Unterschieden zwischen ihnen finden Sie nachfolgend.
In der Einleitung des im Februar 2024 veröffentlichten Berichts zu Amount B hieß es auch, dass die Arbeit an einem zusätzlichen optionalen qualitativen Scoping-Kriterium fortgesetzt werde, das die jeweiligen Staaten als zusätzlichen Schritt zur Identifizierung von Vertriebseinheiten anwenden können, die nicht baseline activities (v.a. Großhandelsvertrieb) nachgehen. Die im Juni 2024 veröffentlichten Ergänzungen enthielten jedoch kein solches Kriterium. In den Ergänzungen wurde auch festgehalten, dass mit der Veröffentlichung dieser Listen die Umsetzung von Amount B ab dem 1. Januar 2025 erfolgen kann. Daraus lässt sich schließen, dass das zusätzliche optionale qualitative Kriterium nicht vor der Umsetzung hinzugefügt wird. Dies könnte allerdings Auswirkungen auf die Umsetzung von Amount B haben, da Indien ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass dieser Schritt entscheidend sei, um sicherzustellen, dass Amount B nur auf „baseline“-Vertriebseinheiten Anwendung findet.
Covered jurisdictions
Der im Februar 2024 veröffentlichte Bericht zu Amount-B stellte klar, dass für die Staaten, die dem Inclusive Framework on BEPS der OECD/G20 angehören, keine allgemeine Verpflichtung besteht, Amount B in ihren eigenen Hoheitsgebieten umzusetzen. Wenn sich die Mitglieder des Inclusive Frameworks für die Umsetzung von Amount B entscheiden, können diese Staaten frei entscheiden, ob Amount B für Steuerzahler in ihrem Hoheitsgebiet, die die Gültigkeitskriterien erfüllen, verpflichtend oder optional zur Anwendung zu bringen ist.
Gleichzeitig verpflichten sich die Mitglieder des Inclusive Frameworks im Rahmen des „political commitments“ zu Amount B, die gemäß dem Bericht zu Amount B ermittelten Ergebnisse anzuerkennen, wenn Amount B von einer „covered jurisdiction“ umgesetzt wird. Diese Länder sind ebenfalls nicht verpflichtet, Amount B umzusetzen. Wenn sich eine „covered jurisdiction“ jedoch für die Umsetzung von Amount B entscheidet, sind die anderen Mitglieder des Inclusive Frameworks verpflichtet, die Ergebnisse zu respektieren. Die Mitglieder können sich auch dafür entscheiden, diese verbindliche Anerkennung auf bilateraler Basis auch auf andere Länder auszudehnen.
Die Liste der „covered jurisdictions“ enthält Mitglieder des Inclusive Framework, die gemäß der Länderklassifizierung nach Einkommensniveau der World Bank Group als Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen eingestuft werden (ausgenommen hiervon sind EU-, OECD- und G20-Mitgliedsländer). Länder, die diese Kriterien erfüllen und keine Mitglieder des Inclusive Framework sind, aber ihre Bereitschaft bekunden, Amount B anzuwenden, können ebenfalls zur Liste hinzugefügt werden.
Auch OECD- und G20-Mitglieder des Inclusive Framework, die gemäß der Länderklassifizierung der World Bank Group zugleich Länder mit niedrigem bzw. mittlerem Einkommen sind, konnten für die Einstufung als „covered jurisdictions“ optieren, wenn sie bis März 2024 ihr Interesse an der Anwendung von Amount B bekundeten.
In der im Juni 2024 veröffentlichten Erklärung wird darauf hingewiesen, dass fünf solcher Länder mit mittlerem Einkommen – Argentinien (G20), Brasilien (G20), Costa Rica (OECD), Mexiko (OECD & G20) und Südafrika (G20) – bereits Interesse an der Anwendung von Amount B bekundeten. Wenn Amount B in diesen Staaten umgesetzt wird, müssen die Mitglieder des Inclusive Frameworks die Ergebnisse von Amount B für in diesen Ländern tätige Vertriebsgesellschaften mit begrenztem Risiko („limited risk distributors“), Handelsvertreter oder Kommissionäre respektieren. Der Bericht weist darauf hin, dass mehrere Staaten ihren „political commitment“ zu Amount B nach Ablauf der fünf Jahre überprüfen könnten, wenn solche Staaten mit mittlerem Einkommen weiterhin als „covered jurisdictions“ gelten bzw. das Multilateral Convention bezüglich Amount A bis Ende 2025 nicht unterzeichnet haben.
Die Liste der covered jurisdictions umfasst die folgenden Länder aus den Top-50-Exportdestinationen Österreichs im Jahr 2023: Ägypten, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Kasachstan, Malaysia, Mexiko, Serbien, Südafrika, Ukraine.
Qualifying jurisdictions (operating expense cross-check)
Der Bericht zu Amount B sieht zwei standardisierte Anpassungen der Umsatzrenditen der Amount-B-Preismatrix vor. Die erste Anpassung ist der „operating expense cross-check“, eine Prüfung der Marge auf die betrieblichen Aufwendungen („return on operating expenses“), die für alle Transaktionen, bei denen Amount B zur Anwendung kommt, von Relevanz ist. Diese ermittelt, ob die Marge auf die operativen Aufwendungen bei Anwendung der angepassten Umsatzrendite nach Amount B innerhalb von „cap and collar range“ (Wertobergrenzen bzw. -untergrenzen) liegt. „Cap or collar rates“ werden angewandt, wenn die angepasste Marge der betrieblichen Aufwendungen außerhalb der Bandbreite liegt. Das hat zur Folge, dass die Umsatzrendite nach Amount B sinken oder steigen kann. Für „qualifying jurisdictions“ gelten höhere „cap rates“, dh, dass die gedeckelte Umsatzrendite nach Amount B für Unternehmen in „qualifying jurisdictions“ höher ist.
„Qualifying jurisdictions“ im Sinne des „operating expense cross-checks“ sind jene Länder, basierend auf der Länderklassifizierung nach Einkommensniveau der World Bank Group als Länder mit niedrigem Einkommen, unterem mittleren Einkommen oder oberem mittleren Einkommen eingestuft werden. Die Liste der Länder wurde von der OECD für einen Zeitraum von fünf Jahren festgelegt.
Die Liste der „qualifying jurisdictions“ für den „operating expense cross-check“ umfasst die folgenden Länder aus den Top-50-Exportdestinationen Österreichs im Jahr 2023: Ägypten, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, China, Indien, Kasachstan, Malaysia, Mexiko, Serbien, Südafrika, Türkei, Ukraine.
Qualifying jurisdictions (data availability mechanism)
Die zweite Anpassung der Umsatzrenditen nach Amount B ist das „net risk adjustment“(Nettorisikoanpassung), welches im Rahmen des „data availability mechanism“ (Datenverfügbarkeitsmechanismus) in Abs. 5.3 des Berichts angewendet wird. Diese Anpassungsmechanismus soll für bestimmte Länder, für die keine oder nicht genügend Daten im globalen Datensatz vorhanden sind, erfolgen. Das Länderrating (wie von Moody’s Investors Service, S&P Global Ratings bzw. Fitch Ratings herausgegeben) wird gemeinsam mit einer Matrix für Prozentsätze für „net risk adusments“, die im Bericht zu Amount B angeführt werden, angewandt. Infolgedessen kann sich die Umsatzrenditen nach Amount B für Unternehmen (weiter) erhöhen. Für Länder mit den Ratings BBB+ oder BBB ist das „net risk adjustment“ derzeit mit 0% festgelegt. Für Länder mit Ratings zwischen BBB- und CCC- (oder niedriger) kann das „net risk adjuustment“ jedoch zwischen 0,3% und bis zu 8,6% liegen.
„Qualifying jurisdictions“ für den „data availalability mechanism“ (Datenverfügbarkeitsmechanismus) sind solche Länder (1) mit einem öffentlich verfügbaren langfristigen Länderrating einer anerkannten unabhängigen Ratingagentur (oder ein gleichwertiges Rating) von BBB+ oder niedriger und (2) mit weniger als 5 Vergleichsunternehmen im globalen Datensatz, der von der OECD zur Berechnung der Vergütung nach Amount B herangezogen wurde. Die Liste der Länder wird von der OECD für einen Zeitraum von fünf Jahren festgelegt.
Die Liste der „qualifying jurisdictions“ für den „data availability mechanism“ umfasst die folgenden Länder aus den Top-50-Exportdestinationen Österreichs im Jahr 2023: Ägypten, Brasilien, Indonesien, Kasachstan, Malaysia, Mexiko, Südafrika.
Unterschiede zwischen den Länderlisten
Die Listen der „qualifying jurisdictions“ sind weitgehend ident, sie sind jedoch wesentlich länger als die Liste der „covered jurisdictions“. Im Hinblick auf die Unterschiede zwischen den Listen, sind folgende Punkte anzumerken:
- Sämtliche “covered jurisdictions” sind auch “qualifying jurisdictions” für den “operating expense cross-check”.
- Bestimmte Länder sind „covered jurisdictions“, jedoch keine „qualifying jurisdictions“ für den „data availability mechanism“: Bosnien und Herzegowina, Serbien, Thailand, Ukraine, Vietnam.
- Bestimmte Länder, die nicht zu den „covered jurisdictions“ zählen, kommen für den „operating expense cross-check“ infrage, jedoch nicht für den „data availability mechanism“: Bulgarien, China, Kolumbien, Indien, die Türkei.
- Bestimmte Länder kommen für den „data availability mechanism“ in Frage, nicht jedoch für den „operating expense cross-check“: Andorra, Bahrain, Barbados, Cookinseln, Curaçao, Montserrat, Oman, Panama, San Marino, Seychellen, Trinidad und Tobago, Turks- und Caicosinseln, Uruguay.
Ausblick und Fazit
Die Veröffentlichung der Länderlisten stellt einen bedeutenden Meilenstein für die Umsetzung von Amount B durch die 147 Mitglieder des Inclusive Frameworks dar.
Die Länderlisten sind fünf Jahre gültig. Aktualisierungen werden anschließend auf der Website der OECD veröffentlicht.
Generell bleibt jedoch abzuwarten, ob und wie Amount B in Österreich und anderen Ländern umgesetzt wird bzw. Amount B Ergebnisse aus „covered jurisdictions“ respektiert werden, da sich aus den konkreten Umsetzungen unterschiedliche Implikationen ergeben können.
Grundsätzlich könnte „Amount B“ eine attraktive Option für Unternehmen darstellen, Unsicherheiten hinsichtlich der fremdüblichen Vergütung von Baseline Marketing- und Vertriebsaktivitäten künftig zu reduzieren. Die Erreichung der angestrebten Vereinfachung sowie der effektiven Verringerung von Verrechnungspreiskonflikten betreffend die Bepreisung von Baseline Marketing- und Vertriebsaktivitäten hängt letztlich von einer homogenen Umsetzung der einzelnen Inclusive Framework-Staaten ab. In Anbetracht der Vielzahl an Optionen, die den Inclusive Framework-Staaten eingeräumt werden, erscheint die tatsächliche Vereinfachung jedoch fraglich. Auch für Gesellschaften, die Aktivitäten ausüben, welche über die reinen Baseline Marketing- und Vertriebsaktivitäten hinausgehen, ergeben sich aus Amount B erhöhte Anforderungen an die Datenqualität aufgrund der erforderlichen Segmentierung der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die erklärten Ziele von Amount B künftig verwirklichen werden.
Verfasst von: Edward Saunders