ENAV: Ist eine Wiederaufnahme rechtskräftig veranlagter Perioden möglich?
Bereits in Rechtskraft erwachsene ENAV-Bescheide, die – aufgrund der gemäß dem BFG noch geltenden Rechtslage vor dem BBG 2011 – einen geringen oder keinen Rückvergütungsbetrag aufweisen, könnten möglicherweise im Rahmen einer Wiederaufnahme iSd § 303 BAO korrigiert werden. Welche Voraussetzungen hierfür erforderlich sind, soll im folgenden Newsletter näher erörtert werden.
Hintergrund
In seinem Urteil vom 3. August 2016 (RV/5100360/2013) entschied das BFG Linz, dass die im Rahmen des BBG 2011 beschlossene Einschränkung der ENAV auf Produktionsunternehmen noch nicht in Kraft getreten ist (siehe unser Beitrag vom 6. Oktober 2016). Gegen diese Entscheidung wurde eine Amtsbeschwerde von Seiten der Finanzverwaltung erhoben, welche zum gegenwärtigen Zeitpunkt beim VwGH anhängig ist. Fraglich ist nun, ob und inwieweit Bescheide, die eine zu geringe bzw keine ENAV-Rückerstattung aufweisen, korrigiert werden können. Prinzipiell ist eine Anpassung innerhalb eines Jahres ab Zugang des ENAV-Bescheides möglich (§§ 299 iVm 302 BAO). Falls die 1-Jahresfrist bereits verstrichen ist, ist nun zu prüfen, ob eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 BAO, bis zu fünf Jahre rückwirkend) möglich sein könnte.
Wiederaufnahme des Verfahrens möglich?
Eine Wiederaufnahme hat grundsätzlich den Zweck, ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren, dem besondere Mängel anhaften, wieder zu eröffnen. Das Gesetz nennt hier u.a. das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel („Neuerungstatbestand“, § 303 Abs 1 lit b BAO) oder die nachträgliche, in wesentlichen Punkten divergierende Entscheidung über relevante Vorfragen, die im Anlassfall zuvor anders beurteilt wurden („Vorfragentatbestand“, § 303 Abs 1 lit c BAO). Während eine Wiederaufnahme aufgrund des Neuerungstatbestandes ausscheidet, gibt es Stimmen in der Literatur und Tendenzen in der Judikatur (siehe dazu VfGH 06.12.1990, B 783/89), die davon ausgehen, dass iZm dem vorliegenden Thema eine Wiederaufnahme aufgrund des „Vorfragentatbestandes“ möglich sein könnte. Führt eine erfolgreiche Korrektur potentiell zu signifikanten Rückerstattungsbeträgen, wäre zu überlegen, eine Wiederaufnahme zu beantragen (vorausgesetzt, die möglichen Rückerstattungsbeträge rechtfertigen aus betriebswirtschaftlicher Sicht die mit einem etwaigen Rechtsmittel verbundenen Kosten).
Besteht Handlungsbedarf bis Ende des Jahres 2016?
- Liegt zum gegebenen Zeitpunkt für eine konkrete Rückerstattungsperiode noch kein ENAV-Bescheid vor, so kann ein Antrag bis zu fünf Jahre rückwirkend gestellt werden. Für das Jahr 2011 ist daher ein entsprechender Antrag jedenfalls bis Ende 2016 zu stellen, um eine ansonsten eintretende Verjährung verhindern zu können.
- Liegt hingegen bereits ein rechtskräftiger ENAV-Bescheid für vergangene Perioden vor, sollte analysiert werden, inwieweit noch ein Korrekturantrag gem. § 299 BAO (innerhalb der Jahresfrist) gestellt werden kann.
- Bei Verstreichen der Jahresfrist wird, insbesondere bei sehr signifikanten ENAV-Korrekturen, empfohlen, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestützt auf den „Vorfragentatbestand“ zu überlegen.
Sollten Sie eine Antragstellung für Ihr Unternehmen in Erwägung ziehen, beraten und unterstützen wir Sie gerne bei diesem Vorhaben!
Autoren: Christiane Zöhrer, Richard Jerabek