VwGH gesteht Vorsteuerabzug iZm Erschließungsmaßnahmen zu und verneint Eigenverbrauch – Abkehr von bisheriger Rechtsprechung
Der VwGH entschied, dass die unentgeltliche Übertragung von Gemeindestraßen an die Gemeinde und Baumaßnahmen zur Entfernung eines alten Sportplatzes keiner Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist und daher keine Eigenverbrauchsbesteuerung auslöst, wenn diese den Bedürfnissen des Unternehmers dienen. In diesen Fällen wird auch der Vorsteuerabzug nicht eingeschränkt.
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf) wollte einige Grundstücke zu einem Gewerbegebiet umgestalten und an Gewerbetreibende verkaufen. Hierfür hat er mit Absprache der Gemeinde die folgenden Maßnahmen gesetzt:
- Verlegung des Sportplatzes auf ein anderes Grundstück auf eigene Kosten des Bf
- Errichtung einer Brücke samt Anbindungsstraßen durch die Gemeinde; anteilige Errichtungskosten werden vom Bf übernommen
- Errichtung von Straßen im Gewerbegebiet auf Kosten des Bf auf Flächen, die der Bf unentgeltlich an die Gemeinde abgetreten hat
- Errichtung von Wasser- und Kanalanlagen durch die Gemeinde; Errichtungskosten werden vom Bf übernommen
- Änderung der Flächenwidmung durch die Gemeinde
Strittig war, ob es für den Bf bei den Punkten 1 und 3 zu einer fiktiven steuerpflichtigen Lieferung (Eigenverbrauchsbesteuerung) kommt und ob dem Bf aus den Errichtungskosten iZm den Punkten 2 und 4 ein Vorsteuerabzug zusteht.
VwGH 8.9.2021, Ro 2020/15/0011
Mit Verweis auf die Rs Mitteldeutsche Hartstein-Industrie (siehe unseren Newsletter vom 8.10.2020 zur Rs Mitteldeutsche Hartstein-Industrie) hielt der VwGH fest, dass es sich bei der Änderung der Flächenwidmung durch die Gemeinde (Punkt 5) um einen einseitigen Hoheitsakt handelt, der kein Rechtsverhältnis begründet, in dessen Rahmen gegenseitig Leistungen ausgetauscht werden. Dh die Übertragung des Grundstücks wird nicht gegen die Änderung der Flächenwidmung getauscht und unterliegt somit nicht der Umsatzsteuer.
Nach Ansicht des VwGH liegt bei der Errichtung der Gemeindestraßen (Punkt 3) keine steuerpflichtige unentgeltliche Zuwendung an die Gemeinde vor, weil die Baumaßnahmen unerlässlich für die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit der Bf sind und die Kosten der erhaltenen Eingangsleistungen zu den Kostenelementen der steuerpflichtigen Ausgangsumsätze des Bf zählen. Die Errichtung der Gemeindestraße und ihre Übertragung an die Gemeinde ist somit nicht steuerbar.
Bei der Übersiedlung des Sportplatzes (Punkt 1) ist hingegen zu differenzieren. Lediglich die Baumaßnahmen, die die Entfernung des Sportplatzes vom späteren Gewerbegebiet betreffen, sind für die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit des Bf unerlässlich und es ist keine unentgeltliche Zuwendung zu versteuern. Dies gilt nicht für die Baumaßnahmen am neuen Sportplatz. Bei diesen Arbeiten kommt es zu einer unentgeltlichen Zuwendung an die Gemeinde, die der Umsatzsteuer unterliegt.
Im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug entschied der VwGH, dass dem Bf für die von der Gemeinde anteilig an ihn weiterverrechneten Kosten für den Bau der Brücke samt Anbindungsstraßen (Punkt 4) kein Vorsteuerabzug zusteht. Sowohl die Errichtung der Brücke und der Anbindungsstraßen als auch die Möglichkeit, dass der Bf diese Bauten nutzen darf, stellen eine hoheitliche Tätigkeit durch die Gemeinde dar (Anmerkung: Anders wäre es vermutlich gewesen, wenn der Unternehmer die Errichtung durch die Baufirmen selber beauftragt hätte).
Der VwGH judizierte, dass dem Bf für die Errichtung der Wasser- und Kanalanlagen von der Gemeinde an ihn weiterverrechneten Kosten ein Vorsteuerabzug zusteht. Der Bau der Wasser- und Kanalanlagen durch die Gemeinde ist für die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Bf unerlässlich. Daher besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Eingangs- und Ausgangsleistungen des Bf.
Auswirkungen auf Österreich
Der VwGH weicht von seiner bisherigen Rechtsprechung ab, wonach bei der Übertragung der Bauleistungen auf einen öffentlichen Rechtsträger als Grundstückseigentümer automatisch eine Eigenverbrauchsbesteuerung gem § 1 Abs 1 Z 2 lit a UStG vorzunehmen ist (VwGH 27.6.2019, Ra 2019/15/0023; 25.7.2013, 2011/15/0055, UStR 2000 Rz 277). Entgegen der bisherigen Rechtsansicht liegt kein Entnahme-Eigenverbrauch bei der Übertragung eines Bauwerks an die Öffentliche Hand vor, wenn die Aufwendungen betrieblich notwendig sind (und den Bedürfnissen des Unternehmers dienen sowie Kostenelemente seiner Ausgangsumsätze darstellen). Ob dies zutrifft, ist im Einzelfall zu prüfen. Diese Rechtsprechung ist auch für die Vergangenheit anzuwenden. Bei zukünftigen Projekten wird es in der Regel umsatzsteuerlich vorteilhafter sein, wenn die Baumaßnahmen vom Unternehmer (und nicht einem Land oder einer Gemeinde) beauftragt werden, da dem Unternehmer in vielen Fällen ein Vorsteuerabzug zustehen wird.